Alpin Trekking Ilanz - Santa Maria
Streckenprofil und Höhenmeter
Allegra ...
|
|
Dies heisst die Balance zwischen Komfort und spartanischem Leben zu finden.
Vor dem Start testeten wir verschiedene Zelte und stellten dabei fest, dass es nicht einfach ist, ein 2-er Zelt unter 3 Kg zu finden, in dem man sich noch einigermassen wohlfühlen kann. Ohne Werbung zu machen, sei hier erwähnt, dass das «Taurus Ultralight» von Vaude unsere Erwartungen am besten erfüllte. |
Doch damit nicht genug - man wird erfinderisch, um weiter Gewicht zu reduzieren:
- Die Zahnputzbürste kann gekürzt werden, also entzwei sägen.
- Alle überflüssigen Riemen am Rucksack abschneiden.
- Papier ist schwer, wenn schon notwendig dann vorn und hinten beschriften.
- Lebensmittel aus der Verpackung nehmen und umpacken.
- Kein Reis oder rohe Teigwaren mitnehmen, diese brauchen viel zu viel Energie zum Kochen
Das zum Thema Leichtgewicht - nun aber zum Vollfett.
Es ist kaum möglich das Essen für zwei Wochen mitzuschleppen. Wir planten also unser Trekking so, dass wir nach maximal drei Tagen in die «Zivilisation» zurückkehrten, um einzukaufen und auch wieder richtig zu essen.
Wie schön ist es doch, das Menü einmal nach den maximalen Kalorien auswählen zu können, also vollfett und mit Doppelrahm obendrauf!
Martin mit Vollpackung (15 Kg) im Aufstieg zur Alp Nursera
... in der Heimat des schönsten Schweizers von 2005.
Wer kennt ihn nicht - den seit langem beliebtesten Mister Schweiz von 2005 - mit dem wohlklingenden Namen Renzo Blumenthal aus dem Val Lumnezia - dem Tal des Lichtes!
Nun ist es also soweit - nach dem Planen, Testen, Angewöhnen und Optimieren geht es nun los. Unendlich erscheint uns der Weg nach Santa Maria im Val Müstair. Drei 1:50'000 Karten werden wir durchwandern in den geplanten drei Wochen, dies sind die Wanderkarten:
Start zum Trekking in Ilanz (Surselva)Im klimatisierten Panoramawagen der Zermatt-Gotthardbahn, reisen wir komfortabel von Brig nach Ilanz.
Nach dem Verlassen des Zuges treffen wir gleich auf die nun ständige Begleiterin des Trekkings - die Julihitze 2006.
Um dieser zu entfliehen, gibt es für uns nur ein Mittel - höhersteigen.
- Safiental, Blatt 257T
- Bergün, Blatt 258T
- Ofenpass, Blatt 259T
Die Hitze hier in Ilanz lässt keinen schnellen Schritt zu, gemächlich aber stetig steigen wir nun hinauf nach Luven im Val Lumnezia. Zum Glück erwartet uns im Aufstieg an vielen Stellen kühler Wald und wir erreichen das in der Nachmittagshitze schlummernde Luven mit den blumengeschmückten, braungebrannten Holzhäusern. Wir steigen weiter hinauf in den Höhenbergweg in Richtung Cumbel und schon bald können wir auf Ilanz zurückblicken.
Martin - frisch und voller Tatendrang über Luven, im Tal unten das schmorende IlanzDer Höhenbergweg erlaubt uns einen ersten Blick auf den morgigen Übergang - dem Güner Lückli auf der anderen Talseite. Wir wandern nun in Richtung Valsertal, vorbei an Bergbauern die ihr Heu ans Trockene bringen.
Von Cumbel steigen wir wieder ab ins Tal, nach Bad Peiden, das seinen Namen wohl aber nicht mehr verdient, es ist geschlossen und macht nicht den Eindruck, dass man hier in naher Zukunft noch ein Bad geniessen könnte. Der vorbeifahrende Postautokurs will uns an der Haltestelle, die sich hier befindet, mitnehmen - mit einem freundlich Zeichen winken wir ab.
Cumbel macht einen verschlafenen Eindruck, es ist einfach zu heiss heute, um grosse Aktivitäten in Angriff zu nehmen, sogar die Wärme liebenden Hauskatzen verstecken sich in einer kühlen Ecke.
Licht und Schatten in Cumbel im Val Lumnezia
In Duvin fragen wir einen Bauern nach einem geeigneten Zeltplatz. Da wir «wild» zelten ist es sehr wichtig, die Erlaubnis des Landbesitzers einzuholen. Er bietet uns in der Nähe seines Hauses einen flachen, schönen Platz an.
Marianne im Aufstieg nach Duvin oberhalb des ZeckenwaldesWir verlassen diesen ungastlichen Ort und steigen auf einem steilen, sehr schlecht markierten Bergweg hinauf nach Duvin.
Wir müssen viel Gebüsch niedertreten, es ist recht mühsam - und dann passiert es. Eine Zecke lässt sich bei mir nieder, unbemerkt und heimlich.
Erst am nächsten Morgen entdecke ich dieses lästige Ding und entferne es vorsichtig vom Oberschenkel.
Wir erfahren dabei auch, dass er mit seiner Frau eine Unterkunftsmöglichkeit «Schlafen im Stroh» anbietet.
Fam. Camenisch
Sumvitg 67
CH-7112 DuvinWir möchten aber auf diesen Luxus verzichten, nehmen aber das Angebot, die Waschgelegenheit zu benützen, gerne an.
Wir schlafen gut und am nächsten Morgen starten wir früh in Richtung Safiental.
Im Zentrum von Duvin
... Natur pur!
Heute wollen wir also den ersten Übergang unseres Trekkings bewältigen, das Güner Lückli auf 2'470 müM. Herr Camenisch ist auch bereits früh auf den Beinen an diesem Sonntagmorgen, er gibt uns letzte Hinweise, um den Weg leicht zu finden. Wir nützen die Kühle des Morgens für den Aufstieg, zudem steigen wir auf der nach Westen ausgerichteten Talseite auf, so dass die Sonne den Hang noch nicht bescheint.
Den Schatten suchend steigen wir abseits des Bergweges höher und höher. Es geht viel leichter heute Morgen in der Kühle als gestern am Nachmittag in der Hitze nach Luven. Ein Glücksgefühl stellt sich ein, wir geniessen die Ruhe des Morgens und die Frische der Alpweiden.
Duvin am frühen Morgen, beim Aufstieg zum Güner LückliWir fühlen uns heute morgen sehr gut, die Alpweiden liegen noch im frischen Tau. Das Val Lumnezia liegt uns zu Füssen, bald werden wir es verlassen und in das wilde Safiental absteigen.
Der Weg zum Güner Lückli ist leicht zu finden, am Anfang steigt man auf einer Alpstrasse in Richtung Alp Gretg. Von dort führt ein gut markierter Bergweg zum Übergang ins Safiental. Der zweite, wohl bekanntere Übergang vom Valsertal ins Safiental ist der Tomülpass, ganz zuhinterst im Safiental.
Für einmal begrüssen uns nicht wiederkäuende Kühe beim Aufstieg, sondern eine Gruppe übermütiger Pferde, einige davon mit wunderschöner, weisser Mähne.
Schon mehrmals haben wir Bekanntschaft mit Pferden gemacht. Keine Angst, sie sind sehr neugierig und begleiten einem oft minutenlang mit einem auffordernden Wiehern.
Sie schauen uns noch lange mit einem traurigen Blick nach.
Weidende Pferde oberhalb Duvin am frühen Morgen
Marianne im Aufstieg zum Güner Lückli auf letzten Schneefeldern - hält die Decke?Mehrmals müssen wir in Bachrinnen alte Schneefelder queren. Man könnte meinen, dies sei unbedenklich. Doch dabei ist grosse Vorsicht geboten, unter der Schneedecke rauscht der Bach in die Tiefe und frisst sich ein ansehnliches Loch unter dem Schneefeld hindurch, von oben nicht einsehbar.
Ein Sturz durch ein Schneefeld ist nicht unbedenklich!Bricht die Schneedecke beim Überqueren ein, fällt man ins eiskalte Wasser und wird möglicherweise eingeklemmt.
Deshalb begutachte ich immer jedes Schneefeld am unteren Ende und versichere mich dass es tragfähig ist.
Dieses Schneefeld trägt am unteren Ende wohl kaum noch. Schneefelder sind also fast zu vergleichen mit Gletschern und man sollte die gleichen Vorsichtsmassnahmen anwenden.
Die Alpenrosen sind zur Zeit in voller Blüte und ganze Hänge erscheinen im bekannten Alpenrosen-Rot. Auch die Alpweiden hier oben sind wohl in der besten Phase ihres kurzen Sommers, die Kühe jedenfalls haben meist nur einen kurzen Blick für uns übrig, dann widmen sie sich wieder den saftigen Alpenkräutern à la Riccola, als ob sie sagen wollten «Hey ihr zwei, was habt ihr den schon verloren hier oben, dieser Kräutergarten gehört uns»
Marianne unmittelbar vor Güner LückliSehnsüchtig warte ich im Aufstieg darauf, den höchsten Punkt zu erreichen um dann stolz wie ein König in die Tiefe zu schauen und den nächsten Übergang anzuvisieren. Etwas, das mich bereits seit meiner Jugendzeit «verfolgt», immer wieder möchte ich wissen wie es denn wohl hinter diesem und dem nächsten «Hoger» (Hügel auf Berndeutsch) aussieht ... eine unendliche Sache.
Auf der Alp Gretg werden wir nicht nur von staunenden Kühen empfangen, die ihre Ohren nach uns ausstrecken, sondern auch von einer netten, hübschen Sennerin. Wie überall auf unserem Trekking machen wir die Bekanntschaft mir freundlichen Bündnern, die sich für unser «Projekt» interessieren und uns mit wertvollen Ratschlägen weiterhelfen.
Sie würdigen uns nur mit einem kurzen Blick
Wir geniessen eine Rast, stärken uns, studieren die Gegend anhand der Karte und steigen dann hinunter nach Safien Platz. Heute ist Sonntag, und der abendliche Fussball-Weltmeister-Final Italien - Frankreich beschäftigt viele Leute, nicht nur im Safiental.
Der erste Übergang ist geschafftVom Güner Lückli aus erwartet uns eine imposante Rundsicht. Noch sind wir nicht vertraut mit der sich ausbreitenden Landschaft, die wir nun in den nächsten Tagen durchwandern werden.
Das Safiental ist nebst Kandersteg eines der bekanntesten Eisklettergebiete der Schweiz. Im vorderen Teil eng und wild, dann aber weit öffnend und sanft ansteigend, ideal für Skitouren im Winter.
In Safien Platz angekommen wünschen wir uns nichts sehnlicher als in das kühle Wasser des Ausgleichsbeckens zu springen - doch dies bleibt beim Wunsch, es ist streng verboten.
Das Safiental gehört zu einem wichtigen Verbund zur Produktion von Elektrizität aus Wasserkraft.
Safien Platz mit dem AusgleichbeckenDamit verbunden, treffen wir hier leider auch auf komplett ausgetrocknete Wasserläufe. Das viele vorhandene Wasser wird auf Turbinen umgeleitet und passiert in riesigen Röhren mehrere Täler, um mehrfach genutzt zu werden - die Zivilisation hat ihren Preis. Auf der anderen Seite sichert es der Bergbevölkerung auch ein regelmässiges Einkommen, von Luft und schöner Landschaft allein lässt sich auch hier oben nicht leben.
Bald sitzen wir in einer kleinen Gartenwirtschaft und geniessen ein frisches Birchermüesli - mit RAHM natürlich. Wir beschliessen die zweite Etappe hier abzuschliessen und morgen früh in Richtung Alperschällilücke aufzubrechen. So gehen wir früh ins Bett, vom WM-Final sehen wir nicht mehr viel und verpassen so prompt den Kopfstoss a là Zinedine Zidane gegen Marco Materazzi ...
... solange uns die Beine tragen.
Auch am dritten Tag - Sonne pur und blauer Himmel. Wir haben uns für heute viel, sehr viel vorgenommen; über eine Distanz von 21.5 km und einem Gesamtaufstieg von 1'670 m führt uns die dritte Etappe aus dem Safiental an die viel befahrene San Bernardino Route nach Sufers im Rheinwaldtal. Wir fühlen uns nach wie vor sehr gut und wir wollen es wagen, bis nach Sufers zu gelangen.
Schon bald im Aufstieg nach Hof treffen wir auf unser Vorbild - auch sie trägt ihr Hab und Gut mit sich. Doch nicht nur dies haben wir gemeinsam, auch wir bewegen uns langsam aber stetig. Meist können wir die Zeiten auf den Wegweisern nicht einhalten, doch dies ist für uns nicht wichtig, wir haben Zeit.
Unser Vorbild - auch sie trägt ihr Hab und Gut mit sich und bewegt sich langsam aber stetigFür mich ist diese Etappe die Schönste und Eindrücklichste. Da die lange, schwere Strecke von Turrahus, zuhinterst im Safiental nach Sufers wohl selten begangen wird, können wir die Ruhe und Stille in den Bergen so richtig auskosten.
Je weiter man ins Safiental hinein wandert umso mehr öffnet sich das Tal, und die Enge macht der Grosszügigkeit Platz. Die meisten Häuser im hinteren Safiental sind bewohnt, noch lohnt es sich hier Landwirtschaft zu betreiben, wie lange wohl noch?
Dank der Postautolinie, die bis nach Turrahus führt, können Wanderungen ins Valsertal über den Tomülpass unter die Füsse genommen werden. Ohne Postauto wäre dies wohl den meisten Leuten zu weit.
Braungebrannte Häuser zuhinterst im SafientalIn Turrahus, dem letzten Ort im Safiental, überlegen wir uns noch einmal eindringlich ob wir über den Safierberg nach Splügen wandern sollen oder eben wie geplant über die Alperschällilücke nach Sufers. Da wir hier auf keinen Ortskundigen treffen, entschliessen wir uns für die ursprünglich geplante Route über die Alperschällilücke.
Alperschällilücke oder Safierberg - Das ist die FrageIn Turrahus geniesst Marianne einen frischen Fruchtsalat während ich nochmals so richtig Kalorien zuführe in Form einer Bündner Nusstorte.
Wir haben uns mittlerweile gut an die Rucksäcke gewöhnt. Ohne Pause können wir problemlos 2 - 3 Stunden wandern. Je nach Hunger rasten wir meist eine Stunde pro Tag, ansonsten sind die Rastzeiten meistens nur kurz.
Im hintersten Teil des Safientals stürzt das Wasser über wilde Wasserfälle in die Tiefe, ich kann mich oft fast nicht sattsehen ob diesem Naturschauspiel. Was mir aber auch auffällt auf der Alperschällilücke im Speziellen und auf der ganzen Wanderung im Allgemeinen sind die riesigen Schuttfelder unterhalb der Berge - wohl kein Klettereldorado bei dieser Felsqualität. Einige Berge sind eher Ruinen und haben sich schon erheblich abgeflacht, etwas das man im Berner Oberland noch nicht in dieser Deutlichkeit sieht.
Im Aufstieg zur Alperschällilücke, im Hintergrund der Safierberg, welcher nach Splügen führtDer Bergweg zur Alperschällilücke ist teilweise neu saniert, so dass man leicht an Höhe gewinnt. Mehrmals müssen wir die viel Wasser führenden Bergbäche queren, dies erfordert gerade in steilen Partien viel Aufmerksamkeit, um nicht auszugleiten. Dies wäre alles andere als ratsam, befinden sich die Wasserfälle nun doch bereits unter uns.
Unterhalb der Alperschällilücke befindet sich ein kleiner See - dort legen wir eine Rast ein. Wir befinden uns jetzt auf etwa 2'500 müM, die Mittagshitze ist hier oben gut erträglich. Bei dieser Gelegenheit erweist sich Marianne als Retterin in der Not für einen in den See abgestürzten Schmetterling. Wieder und wieder versucht er zu starten, vergebens - bis Marianne ins eiskalte Wasser steigt und den Schmetterling rettet. Bald ist er wieder trocken und hebt ab - und wir freuen uns an der Rettungsaktion.
In der Nähe der Alperschällilücke treffen wir auf einen Swiss-Alpin-Marathon Sportler, der sich den letzten Schliff für sein Abenteuer holt.
Wir plaudern zusammen, er über sein Vorhaben, wir über unser aktuelles «Abenteuer». Dabei erfahren wir auch immer wieder allerlei Wissenswertes, das unseren Horizont erweitert.
Es blüht und grünt im Aufstieg zur Alperschällilücke
Marianne auf einem Schneefeld unterhalb der AlperschällilückeDie Alperschällilücke befindet sich auf einem Hochplateau, das von Geröll übersät ist. Hier ist der Weg nicht mehr markiert, doch die Lücke kann man nicht verfehlen.
Martin (Bart spriesst) auf der AlperschällilückeZum zweiten Mal nach dem Güner Lückli erblicken wir nun das dritte Tal vor uns, das Rheinwaldtal mit der vielbefahrenen San Bernardino Route.
Entlang des Steileralp Baches steigen wir nun ab nach Sufers. Der Bach windet sich durch riesige Schuttfelder zur Steileralp und stürzt dann hinunter nach Sufers. Auf der rechten Seite des Baches befindet sich das Alperschällihorn, links die Pizzas d'Anarosas - die zerfallenden Berge.
Deutlich erkennt man auf dem folgenden Photo die Geröllfelder - die Steine perfekt aufbereitet und in der richtigen Grösse könnten sofort als SBB Bahnschotter eingesetzt werden ... wozu also Steinbrecher bauen wenn man sich hier oben gratis bedienen könnte?
Das zerfallende Alperschällihorn, am Fusse Tonnen von SBB-SchotterNach einem Bad im eiskalten Wasser des Steileralpbaches, der uns erfrischt, erreichen wir nach mehr als neun Stunden Wanderzeit Sufers an der San Bernardino Route. Unaufhaltsam und nie endend winden sich die 40 Tonnen Laster und Touristenströme über diesen Alpenübergang, vorbei ist es mit der Ruhe in dieser idyllischen Landschaft.
In Sufers angekommen, suchen wir uns einen vom Lärm der San Bernardino Route geschützten Zeltplatz. Auch hier fragen wir den Landbesitzer um Erlaubnis.
Er bietet uns ein flaches Stück Land an, zudem können wir im nahen Kuhstall warmes Wasser zum Waschen holen. Gerne nehmen wir dieses Angebot an.
Im Volg Dorfladen decken wir uns dann mit dem notwendigen Proviant für die folgenden Tage ein.
Sufers an der San Bernardino RouteDer Volg Laden in Sufers ist nicht nur für die heimische Dorfbevölkerung ein wichtiger Treffpunkt, auch für uns ist dieser Ort eine wichtige Informationsquelle für unseren weiteren Weg. Gerade in der heutigen Zeit der Entvölkerung der Alpengebiete können solche Dorfläden die soziale Struktur noch etwas aufrechterhalten. Einheimische bewundern unsere Tour und können es sich gar nicht vorstellen dass man mit diesem Gepäck in einem Tag von Safien Platz bis hier wandern kann.
Unser Zeltplatz in Sufers - am Morgen war alles klitschnass wegen dem KondensationswasserDer gefundene Zeltplatz ist ideal, schön flach und in halbhohem Gras, so dass wir eine zusätzliche weiche Unterlage zum Schlafen haben. Heute sind wir müde und nach dem Kochen einer Suppe verkriechen wir uns im Zelt. Per SMS vernehmen wir, dass es im Unterland einen Hitzetag von 35 Grad gab. Bald fallen wir in einen tiefen Schlaf, sogar die lästigen Fliegen stören uns heute nicht mehr.
... Übernachten im Adlerhorst
Am Morgen erwachen wir im nassen Zelt, nicht weil es geregnet hat, sondern weil sich während der Nacht sehr viel Kondensationswasser an den Zeltwänden bildete. Alles ist feucht und klebt, sogar die Schlafsäcke fühlen sich feucht an. Dieses Zusatzgewicht durch das im Gewebe eingelagerte Wasser kann gut und gerne ein Kilogramm ausmachen, welches man mehr schleppen muss. Wir entscheiden uns daher dazu, am Suferssee alles auszubreiten und trocknen zu lassen.
Ort der Ruhe - die Schwarzwaldalp ob SufersUrsprünglich hatten wir in Sufers den ersten Ruhetag eingeplant. Da wir uns aber weiterhin fit fühlen und das Wetter nach wie vor sehr gut ist, entschliessen wir uns weiterzuwandern. Allerdings ohne vorgegebenes Etappenziel - einfach solange es geht. Dies ist sicher einer der grossen Vorteile, wenn man das Zelt bei sich hat. Man muss sich nicht an einen Fahrplan halten.
Von Sufers steigen wir auf die ganz und gar nicht bündnerisch klingende Schwarzwaldalp - Einheimische in Sufers haben uns diesen Weg nach Ausserferrera empfohlen. Der Aufstieg erfolgt gänzlich im kühlen Wald entlang des tosenden Bergbaches, der zusätzliche Kühlung bringt. Fast ohne Mühe erreichen wir die Schwarzwaldalp, wo wir uns eine ausgiebige Rast gönnen und nochmals alles zum Trockenen auslegen.
Blick von der Schwarzwaldalp auf Sufers und die Alperschällilücke im HintergrundStolz schauen wir von der Schwarzwaldalp auf den Weg, den wir bereits zurückgelegt haben, im Hintergrund erkennen wir die Alperschällilücke, welche wir gestern überquert haben. Auch wenn man langsam marschiert, dafür aber stetig und lange kann man in kurzer Zeit grosse Gebiete durchwandern.
Nach der ausgiebigen Pause machen wir uns an den Aufstieg zur Alp Nursera, es ist brütend heiss hier oben auf 2000 müM.
Der Schweiss läuft uns in Strömen herunter, obwohl wir nur langsam steigen.
Grosse Granitblöcke säumen den mit Alpenrosen geschmückten Bergweg - hier hat also die Gesteinsart vom bröckeligen Kalk zu dem mit Flechten überwachsenem, grünlichen Granit gewechselt.
Grosse Granitblöcke säumen den Weg in Richtung Alp NurseraBeim Punkt 2001.0 angekommen geniessen wir einen grandiosen Blick ins Rheintal mit Andeer im Vordergrund und Thusis ganz im Hintergrund. Die Sicht ist heute derart gut, dass man jede Kleinigkeit im Tal unten erkennen kann - jedenfalls entgeht uns das blau schimmernde Schwimmbad in Andeer nicht und wir wünschen uns für kurze Zeit dort zu sein, um uns etwas abzukühlen.
Langsam steigen wir nach Ausserferrera ab, den Bergweg suchend. Das Gelände hier ist sehr steil und von Felsen durchsetzt, erwischen wir den Weg nicht, so kann dies gefährlich werden, es braucht meine volle Konzentration. Oft muss ich zurücksteigen um irgendwo eine verwitterte weiss-rot-weiss markierte Stelle zu finden, die uns den Weg weist.
Blick auf AndeerZum Glück weht ab und zu ein kühlender Wind hier oben, so dass die Hitze erträglicher wird.
Unser Wasservorrat ist etwas knapp geworden, so dass wir zügig Richtung Ausserferrera absteigen, wir freuen uns auf ein kühles Coca Cola.
Auf Alp Nursera erkundige ich mich nochmals nach dem Bergweg nach Ausserferrera, der hier doch sehr spärlich markiert ist.
Nebenbei bemerkt - Kennen Sie ein Land, deren Flagge ebenfalls weiss-rot-weiss ist, also die gleiche Bemalung wie die Kennzeichnung der Bergwege aufweist? Ich habe im Internet lange gesucht unter «Alle Flaggen der Welt» und wurde bisher nicht fündig. Einzig Österreich hat eine Ähnlichkeit mit rot-weiss-rot, aber in weiss-rot-weiss konnte ich kein Land finden.
Mehr Erfolg als beim Flaggensuchen habe ich auf Alp Nursera, ich finde den Weg hinunter ins enge Val Ferrera. Die Roflaschlucht in der Nähe von Andeer ist der Eingang ins Val Ferrera. Das Gewässer im Tal ist der sogenannte Averser Rhein. Die Strasse endet in Juf, das zu den höchstgelegenen Bergdörfern in den Alpen zählt. Bemerkenswert ist auch die zweisprachige Aufteilung des Tals - im unteren Teil wird romanisch und im oberen Teil, dem «Avero», wird deutsch gesprochen. Ganz in der Nähe windet sich der an einen Fjord erinnernde 8 km lange Lago di Lei Stausee durch die Berglandschaft. Der See liegt gänzlich auf italienischem Hoheitsgebiet, nur die Staumauer und der Zufahrtstunnel befinden sich auf Schweizer Boden.
Ein letzter Blick zurück zur AlperschällilückeNun können wir auch einen Blick auf unser heutiges Etappenziel werfen, auf der gegenüberliegenden Talseite erkennen wir bereits die Alp Mos mit dem Pass da Schmorras, der nach Savognin führt.
Blauer Himmel soweit das Auge reichtDie Hitze ist auch heute fast nicht mehr zum Aushalten, in kleinsten Schritten geht es steil bergab und wir nähern uns Ausserferrera, das nun zwischen den Bäumen sichtbar wird. Endlich erreichen wir das im engen Val Ferrera gelegene Ausserferrera, ein sprudelnder Dorfbrunnen lädt zum Baden ein - wir kühlen unsere Arme und strecken den Kopf unter den Wasserstrahl - herrlich, wie das erfrischt.
In Ausserferrera gönnen wir uns eine Rast im einzigen Restaurant des Dorfes. Nicht gerade freundlich werden wir hier empfangen und bewirtet, der Wirt ist mürrisch als ob der Besuch von Gästen ein Mühsal für ihn wäre.
Widerwillig lässt er die Sonnenstoren herunter und verschwindet dann wieder.
Wir sind schon enttäuscht, ist doch die einzige unfreundliche Person auf dem ganzen Trekking ein Wirt aus Mürren im Berner Oberland, der sein Glück hier versucht.
«Unser Ziel - Savognin» ist zum ersten Mal angeschriebenNun, wir haben keine andere Wahl und so bestellen wir hier das Tagesmenü - Risotto mit Bratwurst - von der mitgebratenen dicken, fetten Fliege im Reis hat er bei der Bestellung nichts gesagt ...
Mit ein paar Einheimischen, die sich zu uns gesellen, bespreche ich die weitere Wanderung. Sie empfehlen mir über den Pass da Schmorras nach Savognin zu wandern. Ich dagegen hatte den Weg via Lambegn - Pass da Surcarungas (welch wohlklingender Name!) eingeplant. Dieser Weg sei aber sehr schlecht markiert und schwierig zu finden, sagt mir ein Gemeindeangestellter, der mithilft, die Wanderwege zu markieren. Ich lasse mich umstimmen, haben wir doch auf Alp Nursera schon genug nach den weiss-rot-weiss markierten Stellen gesucht. Es ist bereits 17:30 und wir beschliessen, noch soweit als möglich höher zu steigen, um der Hitze hier unten zu entfliehen.
Über den Pass da Schmorras anstelle des Pass da Surcarungas werden wir nach Savognin wandernLangsam aber stetig steigen wir die Bergstrasse in Richtung Cresta hinauf und erreichen um 20:00 unseren Adlerhorst Planets unterhalb der Alp Mos. Ein wunderbarer Platz für die Nacht, nur das Wasser müssen wir im nahe gelegenen Bergbach holen, dort gibt es auch eine eiskalte Vollkörperwäsche, so dass wir uns nachher wieder putzmunter fühlen.
Sonnenuntergang von Planets aus gesehenUnd wieder haben wir es heute weiter geschafft als geplant, erstaunlicherweise werden die Beine immer besser.
Natürlich sind wir müde aber nicht erschöpft, das Aufstellen des Zeltes geht nun auch rassig über die Bühne und bald sitzen wir vor einer dampfenden Suppe im Faserpelz, während unten im Tal ein weiterer Hitzetag zu Ende geht.
Beim Bimmeln der Kuhglocken, die wir weit über uns noch hören können, schlafen wir bald ein.
... zurück in die Zivilisation
Mittlerweile haben wir nun 1/3 des Trekkings hinter uns gebracht, ich verabschiede mich von der Safiental Karte (1:50'000, Blatt 257T) und schlage die Bergün Karte (1:50'000, Blatt 258T) auf. Vor uns liegt eine «Erholungsetappe», mit wenig Anstieg und leichtem Abstieg nach Savognin, vorbei am Skiort Radons.
Zum Glück hat sich auf dieser Höhe während der Nacht wenig Kondensationswasser auf dem Zelt gebildet, so dass wir kaum Zeit verlieren mit Trocknen und zeitig aufbrechen können.
Die Sonne ist noch am Gegenhang, so dass wir im Schatten zum Pass da Schmorras aufsteigen können.
Unser schöner Zeltplatz bei Planets am frühen MorgenAuf Alp Mos verschwindet der markierte Bergweg irgendwo im Geröll - wo ist denn nun der von den Einheimischen in Ausserferrera so gerühmte Bergweg plötzlich? Wir sind wieder einmal gefordert im Suchen der weiss-rot-weiss markierten Stellen. Wären wir doch nur Adler, dann könnten wir diese von oben viel leichter finden.
Marianne beim Kochen - was darf es denn sein?Unser Frühstück besteht meistens aus einem Cappuccino, etwas Brot, und Konfitüre - ziemlich spartanisch, doch erstaunlicherweise reicht dies aus bis Mittag.
Zum Nachtessen haben sich Suppen am besten bewährt, der Stocki Kartoffelstock ist zwar nahrhaft, aber schon recht fade.
Auch Maispolenta würde sich gut eignen ... wenn man diesen doch nur gerne hätte!
Ohne nennenswerte Um- und Irrwege finden wir schliesslich den Pas da Schmorras - und wieder ist es einmal soweit: Wir verabschieden uns vom Val Ferrera und betreten nun das Gebiet von Surses (Oberhalbstein).
Aus dem Gras wachsende Berge? der kleine Fels in der Mitte ist nur ein kleiner Block. (am Pass da Schmorras)Auf dem Pass ist es leicht bewölkt und ein zügiger Wind weht, so dass wir uns entschliessen, gleich etwas abzusteigen. Wir haben nicht mehr soviel Proviant, doch Savognin ist nicht mehr weit, dort haben wir die Gelegenheit einzukaufen.
Die Bergblumenpracht auf den kargen Böden und an Felsblöcken erfreut uns immer wieder aufs Neue.
Von der Alp da Schmorras sieht man auf die schroffen Felsen von Tinizong. Wir wundern uns über diesen wenig bündnerisch klingenden Namen eines Bergzuges. Fast könnte man glauben, irgendwo in China oder Nepal zu sein.
Farbenpracht in blau, gelb und violettDer «Pass digls Orgels» am Tinizong führt direkt von Savognin nach Bergün. Für einmal werden wir aber nicht diesen direkten Übergang benutzen, da wir ein Paket mit Ladegerät und Rasierapparat nach Alvaneu Bad geschickt haben. Langsam geht nämlich der Ladezustand des Akkus der Digitalkamera zu Ende - es wäre doch schade, ich könnte nicht mehr auf den Auslöser drücken.
Die beiden Trekker vor Radons - und noch kein bisschen müde (Im Hintergrund der Tinizong)Marianne hat im Vorfeld des Trekkings im Internet gesehen, dass es einen kleinen See in Savognin geben soll - hoffentlich ist dies keine Fata Morgana - denn nichts wünschen wir uns jetzt so sehr wie eine Abkühlung in einem Schwimmbad oder See.
Savognin ist erreicht!Zum Glück erweist sich der «Lai Barnagn» als realer See, wo sich die halbe Dorfgemeinschaft von Savognin tummelt.
Wir gönnen uns den Luxus einer Hotelübernachtung und schon bald schwimmen auch wir im kühlen Nass des Savogniner Haus-Sees.
Savognin ist wohl bei allen Skifahrern ein Begriff - wie lange wohl noch? Die etwas altmodischen Skilifte hier zeugen nicht von Aufbruchstimmung in Richtung Skigebiet. An einem Sonnenhang und viel zu wenig hoch gelegen wird die Skisaison trotz Skikanonen immer kürzer. Doch Savognin hat sich etwas einfallen lassen - der erste Naturpark der Schweiz - doch lesen Sie selbst aus der Werbeschrift:
«Parc Ela: 600 Quadratkilometer, zwei Täler, ein Park: Der Parc Ela ist der grösste regionale Naturpark der Schweiz, 3,5 mal so gross wie der Nationalpark, etwa so gross wie der Kanton Glarus. 21 Gemeinden arbeiten zusammen, mit einem Ziel: Naturschutz und wirtschaftliche Entwicklung unter einen Hut zu bringen.»
... durch die wilde Schlucht des Schaftobelbachs
Gut ausgeschlafen können wir bereits um 06:30 zum Frühstück im Hotel, das extra wegen uns vorverschoben wurde. Es ist mir heute besonders wichtig, so früh als möglich auf den Motta Palousa zu steigen. Ab 09:00 wird die Sonne den Aufstieg bescheinen, also müssen wir vorher oben sein, sonst wird es viel zu heiss.
Blick zurück auf Radons und den Pass da Schmorras (dort waren wir gestern) von Motta Palousa ausMeine Rechnung geht voll auf, im Schatten und in der Kühle gelangen wir mühelos auf 2'100 müM auf den Motta Palousa - vor uns liegt nun bereits das Landwassertal, das nach Davos führt. Unterwegs passieren wir Promastgel, ein Maiensäss mit braungebrannten, leerstehenden Ferienhäusern, die früher einmal der Sennerei dienten.
Mittlerweile sind wir also fast eine Woche unterwegs und es wird Zeit, sich die durchwanderten Orte nochmals zu merken. Da ich mich intensiv mit dem Kartenmaterial auseinandergesetzt habe fällt mir dies recht leicht.
Umso mehr muss sich nun Marianne die markanten Orte des Trekkings merken - ein Auswendiglernen geht los: Ilanz - Luven - Cumbel - Duvin ... eh wie gehts weiter?
Na ja, noch bleibt etwas Zeit, sich die Orte zu merken ...
Marianne auf dem Motta Palousa... und dabei auch das Gehirn zu trainieren und nicht nur die Beine und Arme sowie das Herz und die Lungen. Denn wie sagte doch ein Extrembergsteiger: «Der Kopf ist der wichtigste Muskel». Es wäre ja wohl schon schade, wenn wir auf die Frage wo denn unser Trekking durchführte nur antworten könnten: «Durch den Kanton Graubünden» ...
Blick vom Motta Palousa ins Landwassertal, das nach Davos führtDas Wetter ist heute nicht mehr ganz so stabil wie in den vergangenen Tagen, über dem Landwassertal türmen sich bereits die ersten dunklen Wolken auf. Es wird Zeit für den Abstieg nach Bad Alvaneu. Bei Ozur erweckt ein Schild mit der Aufschrift «Wanderweg nach Alvaneu Bad gesperrt» unsere Aufmerksamkeit. Sollen wir es trotzdem wagen oder sollen wir den Umweg über Surava einschlagen?
Umweg über Surava oder direkt nach Alvaneu Bad?Wir entschliessen uns trotz dem Schild den direkten Weg zu nehmen - ich muss heute sagen, das hätte ins Auge gehen können ... denn was wir in der Schlucht oberhalb Alvaneu Bad antrafen war wohl das Limit, auch für geübte Trekker.
Zum Glück wartete Petrus mit dem Wolkenbruch bis wir aus der Schlucht heraus in Sicherheit waren - Danke vielmals Petrus!
Auf Alp Foppa war dann endgültig Schluss mit einem Bergwanderweg, weit und breit keine weiss-rot-weiss Markierungen mehr. Zum Glück war der Wanderweg aber auf der Karte eingezeichnet und stimmte auch gut mit der Wirklichkeit überein. Auf jeden Fall fanden wir den Trail hinab in die Schlucht, mehrmals war der Weg entweder verschüttet oder durch vorangegangene heftige Gewitter ganz weggerissen. Marianne hat nach den vielen Bergwanderungen nun auch die Übung, solch kritischeren Stellen zu überwinden.
Weggerissene Brücke über den Schaftobelbach oberhalb Alvaneu BadWenn es einmal dann ganz brenzlig wird, so habe ich immer noch die Möglichkeit mit meinem Rucksack vorauszuklettern, diesen dann zu deponieren, zurückzuklettern und Mariannes Rucksack zu holen. Das klappt fast immer ... auch wenn ich Marianne dann mal auch gut zureden muss ... bravo! gut gemacht!
Die Brücke über den Schaftobelbach macht auch mir nicht gerade einen Vertrauen erweckenden Eindruck - langsam taste ich mich über die Brücke, das untere Geländer ist komplett weggerissen, zudem steht die Holzkonstruktion nicht mehr 90 Grad zum Bach sondern irgendwie quer dazu. Ein Zeichen, dass hier Gewitter sehr heftig wüten können - und ein solches könnte auch heute im Anzug sein - also vorwärts, nur nicht zögern.
Marianne überquert in Eile die wackelige, zerstörte BrückeDie Brücke hält, ich erreiche die andere Talseite, nun kann es auch Marianne wagen, diesen Steg zu queren, es klappt. Leider ist auf der anderen Seite der Bergweg vollständig weggerissen, und mir müssen in einer Kletterpartie die heikle Stelle passieren - Marianne schafft das bravourös.
Imposanter Abstieg nach Alvaneu BadTrotzdem bin ich froh, dass nun der Weg wieder besser wird, denn jetzt wird die Schlucht wirklich sehr eng und wild, wäre der Weg hier schlecht, so müssten wir umkehren. Tosend stürzt das Wasser in die Tiefe, unten im Tal erkennen wir bereits das im Freien gebaute Thermalbad mit dem blau schimmernden Pool - welche Gegensätze!
Erste Blitze kündigen nun das Gewitter an und wir geben Alles, um aus der Schlucht zu kommen. Bereits fallen schwere Regentropfen - Marianne rennt dem Ende der Schlucht entgegen, doch ich lasse mir es nicht entgehen, noch ein paar Photos von diesem Naturschauspiel hier oben in der Kamera zu versorgen.
Schaftobelschlucht kurz vor dem GewitterBeim Austritt aus der Schlucht setzt der Regen ein, wir haben es geschafft - wir sind sehr froh. Der Marsch im lichten Wald in Richtung Alvaneu Bad ist eine Erholung für Geist und Körper, wurden doch beide arg strapaziert in der letzten Stunde.
Nach einem kühlen Cola sitzen wir dann schon bald im Thermalbad von Alvaneu Bad und blicken hinauf in die Schlucht. Der Bademeister hat das Thermalbad nach dem Gewitter wieder freigegeben. Auch unser Paket ist angekommen, wir suchen uns ein Hotelzimmer in Alvaneu, um uns zu regenerieren. Ich sehe mittlerweile eher wie der Ötzi aus mit meinem Bart, Zeit also, diesem auf den Pelz zu rücken. Nach einer 1/2 Stunde ist der Rasierapparat heissgelaufen und ich habe wieder eine feine Haut wie ein Baby einen Hintern ...
... im Reich der Albulabahn
Uns steht heute eine lockere «Überführungsetappe» bevor, ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Wie gewohnt bitten wir das Hotel in Alvaneu uns das Frühstück so früh als möglich bereitzustellen, dies klappt auch hier. Damit ist es erneut möglich, die kühlen Morgenstunden zu nutzen, die wenig Kraft brauchen.
Morgenstimmung Im Albulatal vor FilisurWir sind nun im Albulatal mit der bekannten Albulabahn. Sie verbindet Thusis im Hinterrhein mit St. Moritz im Engadin. Die 63 km lange Linie, die mit ihren 55 Brücken und 39 Tunnels zu den spektakulärsten Schmalspurbahnen der Welt gehört, ist Bestandteil des Stammnetzes der Rhätischen Bahn (RhB).
Der Bau der Albulabahn wurde im September 1898 begonnen, die Eröffnung fand am 1. Juli 1903 statt und die Verlängerung bis St. Moritz ging am 10. Juli 1904 in Betrieb.
Seit 2001 wird angestrebt, dass die Rhätische Bahn und die Kulturlandschaft Albula/Bernina in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen werden. Der Entscheid über die Aufnahme wird im Jahre 2008 getroffen.
Albulabahn bei BergünZwischen Filisur und Bergün überwindet der Zug bereits 292 Meter und fährt durch den ersten Kehrtunnel.
In Bergün befindet sich auch das Lokdenkmal mit einem RhB-Krokodil.
Mit dem Verlassen des Bahnhofs Bergün steigt der Zug mit über 35 Promille in die Höhe. Mehrmals überquert nun die Strecke sich selbst bei atemberaubenden Ausblicken auf Höhen und Tiefen des Hochgebirges.
Wir bewundern mit Hochachtung diese bahntechnischen Pioniertaten, bewältigen aber die Strecke von Alvaneu nach Bergün per Pedes. Doch auch das lohnt sich - Filisur, wo das Landwassertal mit dem Albulatal zusammentrifft ist ein sehr schmuckes Dorf mit schönen, gepflegten Häusern. Zudem ist im Dorf Ruhe eingekehrt, seit die Strassenumfahrung in Betrieb genommen wurde.
Doch nicht nur das, auch im Bereich der Lebensphilosophie können wir an einem Haus Interessantes lesen - doch schauen Sie selbst hin.
Ein grosser Morgen eint uns Alle wieder und jeder Schritt ist ein entgegengehn ...In Filisur konnten wir am Zeitungsständer des Kiosks lesen: «Krieg im Libanon» ... gegensätzlicher könnte dieser wunderschöne Morgen kaum beginnen.
Gemütlich wandern wir nun auf der Strecke des bekannten Swiss-Alpin-Marathon, entlang des Albulaflusses. Das Tal ist hier eng und sowohl Strasse wir Bahn verschwinden oft in Tunnels. Wir wollen uns heute gut erholen, denn morgen steht eine lange und schwere Etappe bevor. Wir geniessen die Kühle des Waldes, und mühelos steigen wir schliesslich hoch nach Bergün.
Immer wieder können wir zwischen Lärchen tief unten im Tal die Albulastrasse erkennen.
Mehrmals erkennen wir auch Autokolonnen die sich geduldig (oder ungeduldig?) hinter Radtouristen auf ihren Rennrädern einreihen müssen, bis die enge Strasse ein überholen erlaubt.
Uns würde dies nicht Spass machen in diesen Abgasen den Pass hochzustrampeln.
Im engen Albulatal vor BergünHeute erlauben wir uns auch längere Rastzeiten, unsere Rucksäcke haben zudem das Minimalgewicht, das heisst, wir haben kaum Lebensmittel zu tragen, da wir in Bergün den Volg Laden stürmen werden.
Bergün mit dem oberhalb gelegenen LatschDass es auch heute wieder drückend heiss ist, muss ich wohl nicht mehr erwähnen.
Um die Mittagszeit erreichen wir Bergün, der Volg Laden hat noch offen und wir kaufen ein was das Zeug hält.
Brot, Landjäger, Tomatensuppe, Bündner Gerstensuppe, Käse (VOLLFETT natürlich, ist ja klar), Schokolade, Cappuccino und Tee.
Doch vor der Weiterwanderung wollen wir zuerst einmal Bergün anschauen und uns im Schwimmbad vergnügen. Wie Filisur macht auch Bergün einen sehr lieblichen Eindruck auf uns. Im Zentrum steht der stattliche Bau des Kurhotels, das heute mehrheitlich Appartementwohnungen anbietet. Unfreiwillig werden wir diese Unterkunft noch bald näher kennenlernen ...
Marianne, nach dem Besuch des Schwimmbades von Bergün gut abgekühlt, im Aufstieg nach DarluxBergün verfügt über ein wunderschönes, öffentliches Schwimmbad - erstaunlich auf der Höhe von fast 1'400 müM. Von hier aus können wir nun auch die andere Seite des Tinizong bewundern, in Savognin habe ich mich noch gefragt wie es denn wohl hinter diesem fremdländisch klingenden Berg aussehen möge - jetzt bin ich da - und schon frage ich mich wie es wohl hinter der Keschütte aussehen wird. Damit ist auch gesagt, dass wir das Dach der Tour nun bald erreichen werden - die neu erbaute Keschhütte.
Wir geniessen das kühlende Wasser des Schwimmbades und gut abgekühlt wollen wir nun noch etwas höher in Richtung Darlux steigen. Bereits türmen sich die ersten dunklen Wolken am Himmel, wir ignorieren dies und steigen hoch.
Doch bereits in Sagliux auf 1'540 müM werden wir von schweren Tropfen getroffen, die sich bald in einem Wolkenbruch über uns ergiessen.
Warten ist angesagt - heftiges Gewitter in BergünZum Glück finden wir ein verlassenes Maiensäss als Schutz und wir verkriechen uns im muffigen Kuhstall. Dann geht es so richtig los, es wird Nacht und Blitz und Donner beherrschen die Szenerie.
Die Temperatur sinkt fast im Minutentakt Grad um Grad und das erste Mal sind wir froh, dass wir auch warme Kleider im Rucksack haben.
Wir harren der Dinge, die da kommen mögen in unserem Kuhstall - eine Stunde, zwei Stunden. Die Böden sind durchnässt und auch wir beginnen zu frieren. Noch gebe ich die Hoffnung nicht auf, das Zelt irgendwo aufstellen zu können - Marianne glaubt nicht mehr daran.
Irgendwann habe dann auch ich genug gehofft und gewartet - ich gebe auf. Wir packen unsere Sachen zusammen und treten den Rückzug nach Bergün an. Der Regen hat etwas nachgelassen, aber es ist kühl geworden - auch ich hoffe nun, in Bergün rasch eine Unterkunft zu finden. Im bereits erwähnten Kurhaus hat man Erbarmen mit den zwei durchnässten Wandersleuten und man richtet extra wegen uns ein Zimmer her - Chapeau und herzlichen Dank!
... die Königsetappe!
Wie die Tour de France wäre auch unser Trekking nicht denkbar ohne Königsetappe - hier ist sie! Mehr als 10 Stunden Wanderzeit und über eine Höhendistanz von 1'826 m sowie einer Gesamtlänge von 27.3 km stellt diese Etappe das Pièce de Résistance dar. Es ist auch die Etappe der eindrücklichen, einsamen, wilden Hochtäler im Kanton Graubünden, die wir so lieben gelernt haben. Doch alles der Reihe nach - das Frühstück wurde extra wegen uns im Kurhaus vorbereitet, so dass wir bereits um 06:30 losmarschieren können. Zuerst gilt es die Strecke, welche wir bereits gestern im Gewitter zurückgelegt hatten, nochmals zu bewältigen - easy bei der Kühle des Morgens.
Morgenstimmung im Aufstieg nach Darlux - weit und breit keine Wolke am Himmel!Welch ein Unterschied heute Morgen zu gestern Abend - Alles ist herausgeputzt und keine Wolke am Himmel - einfach nur tief blau - grandios!
Wir sind beflügelt, uns läuft es leicht und beschwingt, die komfortable Nacht im Kurhotel Bergün hat uns gut getan. Alles ist gut getrocknet und wir müssen keine Zusatzlast in Form von eingeschlossenem Kondensationswasser mittragen. Die Luft ist von einer solchen Frische heute morgen, gibt es denn etwas Schöneres?
Die Schatten sind noch lang, der Tag hat eben erst begonnen und Bergün liegt uns nach 2 Stunden Wanderzeit bereits zu Füssen.
Beim Aufstieg treffen wir auf einen pensionierten Waldarbeiter aus der Gegend, der sein Maiensäss hier oben besucht.
Er erzählt uns aus seiner Vergangenheit, der harten Arbeit im Bergwald und dem strengen Winter. Heute geniesst er ein einfaches, ruhiges Leben in seiner Hütte hoch oben über Bergün.
Bergün und Latsch im Albulatal von Darlux aus gesehenWir erfahren auch, weshalb es um Bergün auffällig viele zerfallende Sennhütten gibt, die nicht mehr benutzt (Fachausdruck; bestossen) werden. Weniger Bauern mit mehr Vieh bedeutet auch, dass die vorhandenen Maiensässe zu klein werden. Man baut neue, riesige Ställe und überlässt die alten Hütten ihrem Schicksal. Ab und zu kauft ein Unterländer ein solches Haus und renoviert es, die meisten aber verfallen langsam. Die Globalisierung macht sich leider also auch hier oben bemerkbar - für Neues hat man Geld, Altes überlässt man zukünftigen Generationen zur Entsorgung, etwas das man auch im Unterland mehr und mehr antrifft.
Doch lassen wir diese trüben Aussichten und wenden wir uns unserem weiteren Weg in Richtung Alp Muotta Sur zu. Nicht immer finden wir auf den einsamen Bergwegen jemanden, der bereit ist ein Erinnerungsphoto von uns zu schiessen. Also, warum nicht einmal unsere eigenen Schatten photographieren.
Die treuen Begleiter - unsere eigenen SchattenAuf der Alp Muotta Sur erblicken wir das im Val Tuors gelegene Chants, hier werden in zwei Wochen also die Läufer des Swiss-Alpin-Marathon vorbeihuschen. Wir können auch ins einsame Val da Ravais blicken, zuhinterst erkennen wir bereits den Sertigpass.
Alp Muotta Sur mit Chants, im Hintergrund links der Sertigpass und rechts bereits die KeschhütteWir steigen nun wieder etwas ab nach Alp digl Chants, vorbei an einer Sennhütte, wo sich Schweine genüsslich im Schlamm wälzen.
Uns fasziniert die sehr grosszügige Landschaft hier oben, diese weiten, offenen Täler kennen wir im Berner Oberland kaum. Ich erinnere mich nur an die Engstligenalp, die einen ähnlichen Charakter hat.
Marianne muss auch heute fleissig auswendig lernen ... Ilanz, Luven, Cumbel, Duvin, Güner Lückli, Safien Platz, Hof, Thalkirch, Turrahus, Alperschällilücke, Sufers, Schwarzwaldalp, Alp Nursera, Ausserferrera, Cresta, Planets, Alp Mos, Pass da Schmorras ... und wieder stockt es immer am gleichen Ort: Radons will und will sich nicht im Gedächtnis verankern - also wieder von vorn ... ach ist das eine Qual. Hier sei aber bemerkt, dass es am Ende des Trekkings klappte wie am Schnürchen - steter Tropfen höhlt den Stein - oder auch merkwürdige Namen wie «Promastgel» kann man sich irgendwann merken, man muss nur wollen.
Schon mal was vom Val Plaxbi gehört - wohl kaum - doch betrachten Sie doch selbst diese Schönheit!Mittlerweile sind wir im Aufstieg zur Keschhütte, der Bergweg gleicht nun mehr einer Wanderautobahn. Wehalb dies so ist, wird uns auch gleich klar, wir werden in regelmässigen Abständen von trainierenden Läufern des Swiss-Alpin-Marathon überholt.
Die Pyramide des Piz Kesch auf der rechten SeiteNun können wir auch den (noch) vergletscherten Piz Kesch 3'417,7 müM erblicken, er hat eine Ähnlichkeit mit dem Matterhorn, eine stattliche Pyramide. Davor liegt der sanft abfallende Porchabella-Gletscher.
Und dann ist es soweit, wir erblicken das Dach der Tour, die Keschhütte auf 2'640 müM
Vor drei Jahren wurde die Keschhütte von Grund auf neu erbaut. Dabei wurde bezüglich Energieversorgung konsequent auf die Kraft der Sonne gesetzt. Die Hütte hat den renommierten Solarpreis für besonders umweltfreundliches Bauen erhalten.
Die Keschhütte, davor geniesst Marianne (in der Ecke) eine wohlverdiente PauseDie Keschhütte ist sehr gut frequentiert, nicht nur für Swiss-Alpin-Marathon Sportler sondern auch für viele Biker ist sie ein Anziehungspunkt. Sie ist recht einfach sowohl von Davos wie auch vom Unterengadin und natürlich von Bergün aus erreichbar. Wir geniessen den höchsten Punkt unseres Trekkings in vollen Zügen, bevor wir dann Abschied nehmen vom Albulatal und ins neue Reich eintreten, das Unterengadin.
Vor uns öffnet sich nun das weite Tal des Val Funtauna. Zwei bekannte Pässe führen von hier nach Davos. Zu Beginn des Tals der Sertigpass und am Ende des Tals der Scalettapass.
Hoch über dem Val Funtauna führt der bekannte Panoramatrail direkt zum Scalettapass.
Im Abstieg begegnen uns viele Biker, die meisten können hier nicht fahren und müssen ihr Gefährt mühsam über Stock und Stein schieben. Ab und zu hören wir einen Fluch ...
Marianne im Val Funtauna, Abstieg ins UnterengadinWir kommen hier sehr gut vorwärts, der Weg windet sich im flachen, grosszügigen Tal der Alp Funtauna zu. Langsam aber sicher machen sich erste «Boboli's» (harmlose Verletzungen) bemerkbar. Ich habe zwischen den Zehen eine Blase, die sich durch das Schwitzen und Scheuern gebildet hat. Ich steche diese vorsichtig auf, wickle die Zehen mit Tape ein und binde sie zusammen, das funktioniert tadellos.
Lädierte Zehen ... Tape ist die RettungMarianne hat vermutlich eine Überdehnung eines Seitenbandes am Knöchel nach einem Misstritt.
Doch diese kleine Blessuren können uns noch lange nicht abhalten, weiterzulaufen.
Oft nützen wir das kalte Wasser der Bergbäche aus, um die Füsse und Beine gänzlich abzukühlen, das verschafft rasche Erholung und man fühlt sich sofort wieder besser.
Wir hatten geplant, bei der Alp Funtauna zu nächtigen, da wir uns aber noch fit fühlen beschliessen wir, noch etwas ins Val Susauna abzusteigen. Wir trauen dem Wetter auch nicht mehr so ganz und auf ein Gewitter in dieser Höhe können wir gut verzichten.
Das breite, grosszügige Val Funtauna. Am Ende die Alp Funtauna mit dem Aufstieg zum ScalettapassDas Val Susauna ist die Pforte zum Unterengadin, lang gezogen und von einer wilden Schönheit. Man trifft kaum einen Menschen an, ab und zu einen Biker, aber kaum Wanderer. Mit der Sonne im Rücken können wir beim Abstieg jede Einzelheit des schönes Tales wahrnehmen. Mittlerweile sind wir neun Stunden unterwegs und es wird Zeit, einen Zeltplatz zu suchen.
Ein idealer Zeltplatz zu finden ist gar nicht so einfach hier, es gibt nur wenig flache Plätze und diese sind meistens übersäht mit Felsblöcken.
Oder dann fehlt das so gewünschte Wasser, dieses brauchen wir unbedingt, denn unsere Trinkflaschen sind leer.
Die Müdigkeit in den Beinen verstärkt nun den Wunsch nach einem Platz für die Nacht und lässt uns weniger wählerisch sein bei der Auswahl.
Marianne im Val SusaunaFast hätte ich mich überreden lassen von einem suboptimalen Platz - doch mein «Gschpüri» sagte mir, dass nicht weit von hier ein Wunderplatz kommt - und so war es auch - OK, das ist natürlich purer Bluff, ich hatte keine Ahnung von unserem Glück, aber man kann ja mal pokern.
Wunderbarer Zeltplatz im Val Susauna - wenn da nur diese verdammten Fliegen nicht wärenIn einer wunderbaren, kühlen Lichtung fanden wir das was des Trekkers Herz höher schlagen lässt.
Ein Brunnen mit frischem Wasser, flacher, weicher Boden und eine Sitzgelegenheit.
Es braucht manchmal wenig, um glücklich zu sein!
Wir sind mittlerweile ein gut eingespieltes Team. Während sich Marianne am Brunnen erfrischt und die Kocherei in Gang setzt, widme ich mich dem Zeltaufbau. Zum Glück müssen wir die Liegematten meist nicht aufblasen, diese füllen sich von allein, insbesondere wenn man sie an die Sonne legt.
Marianne, etwas müde nach 10 Stunden Wanderzeit, kocht uns das 5 Gang Menü ...... bestehend aus:
- 1. Gang: Tomatensuppe ..
- 2. Gang: nochmals Tomatensuppe ...
- 3. Gang: Brot dazu ...
- 4. Gang: Rauchwurst dazu ...
- 5. Gang: und zum Dessert ein Cappuccino mit Schoggi
... nicht schlecht oder?
Nach der Fliegenschlacht im Zelt brauchen wir heute Abend wahrlich kein «Guet-Nacht-Gschichtli», um Einzuschlafen.
... Bikeautobahn und Wespenstiche
2/3 der gesamten Tour liegt nun hinter uns, ich nehme die letzte 1:50'000 Karte (Ofenpass, Blatt 259T) in die Hand. Und wieder ein wolkenfreier Tag mehr begrüsst uns an diesem Sonntagmorgen, dem 16. Juli 2006. Trotz der sehr langen Etappe von gestern sind wir wieder gut erholt. Für heute steht uns eine «Auslaufetappe» nach Zernez bevor. Mit einem Freund haben wir zudem ein Treffen in Chapella vereinbart, er wird uns dort mit seinem Rennrad treffen - wir freuen uns, ein bekanntes Gesicht zu sehen hier oben.
Das Dorf Susauna - als Eintritt ins UnterengadinIn Chapella, an der viel befahrenen Strasse Zernez - Zuoz befindet sich ein Campingplatz.
Dort können wir unser feuchtes Zelt trocknen lassen, während wir auf unseren Freund warten.
Die Leute auf dem Zeltplatz bewegen sich alle in Zeitlupe, es ist wirklich extrem heiss.
Wir gönnen uns ein kühles Cola und unterhalten uns mit den Leuten auf dem Camping Platz.
Nach dem Mittag machen wir uns auf in Richtung Zernez, wir schleichen, ja kriechen nur noch in dieser Hitze. Ich wähle den Weg durch den Wald in der Hoffnung etwas Kühle zu finden, welch ein Irrtum. Der Weg durch den Wald entpuppt sich als breite Schotterstrasse und die Sonne steht genau längs dazu. Der Weg wird vor allem von Bikern benutzt - andere Wanderer konnten wir weit und breit keine finden.
Wir wandern am Eingang zum Val Verda vorbei, dort bietet sich die Gelegenheit zu einem Bad im kalten Bergbach - das lassen wir uns nicht entgehen.
Ein letzter Blick zurück ins wunderschöne Val SusaunaWir treffen auf ungebetene Gäste - zuerst trifft es Marianne und dann auch mich. Wir treten mit den nackten Füssen in ein Wespennest - dann geht der Teufel los, Marianne wird am Bauch gestochen und ich fühle einen harten Schlag am Unterarm, dann ein stechender Schmerz. Die Wespen habe ganze Arbeit geleistet, wir flüchten überstürzt, unsere sieben Sachen zusammenraffend, in Sicherheit.
Unterwegs nach Zernez leide ich das erste Mal so richtig unter der brütenden Hitze. Meine Füsse sind aufgelaufen und die Blase zwischen den Zehen brennt. Ich sehne den Etappenort Zernez herbei, nur um die Füsse zu pflegen.
Wir erreichen Zernez nach 9 Tagen wandern - bei brütender HitzeEndlich treffen wir in Zernez ein, für uns ist klar, jetzt müssen wir uns gut pflegen. Trotz der recht kurzen Wanderzeit von etwa 5.5 Stunden sind wir geschafft. Zum Glück finden wir ein Hotelzimmer, ja sogar mit Balkon und ruhig gelegen. Die Zehen werden nun sorgfältig verarztet, die Haut auf der Blase zwischen den Zehen ist zum Glück, dank dem Tape, noch nicht weggescheuert worden. Etwas habe ich auf diesem Trekking gelernt - Tape ist das beste Medikament. Hätte ich keines bei mir gehabt, ein Weiterwandern mit offenen Zehen wäre undenkbar gewesen.
Erstaunlicherweise kühlt es in Zernez während der Nacht erheblich ab und wir erholen uns gut. Eigentlich hatten wir in Zernez einen Ruhetag eingeplant, doch aufgrund unserer guten Verfassung und des hervorragenden Wetterberichtes entschliessen wir uns dazu, morgen sehr früh den Nationalpark zu durchwandern.
... wo ist der Bär?
«Ja, ja, so blau, blau blau blüht der Enzian, wenn beim Alpenglüh'n wir uns ...» sicher kennen Sie diesen uralten Song von Heino noch. Nun, nicht nur die Enziane sind blau sondern auch «unser Trekking Himmel», und dies nun schon seit 10 Tagen, nur unterbrochen von wenigen, lokalen Gewittern. Wir können unser Wetterglück kaum fassen, das konnten wir nicht erwarten nach dem kalten, regnerischen Juni 2006.
Marianne, früh morgens unterwegs nach BellavistaSehr früh konnten wir in Zernez das Frühstück einnehmen.
Ich deponiere zudem hier ein paar zuviel mitgenommene Gaskartouchen, wir haben weniger Energie benötigt als geplant. Dies sicher auch wegen dem anhaltend schönen Wetter.
Unser Weg führt uns zuerst hinauf nach Bellavista, wie der Name ja bereits verrät, einem Punkt mit grandioser Rundsicht ins Unterengadin. Weshalb man keinen bündnerisch tönenen Namen für diesen schönen Ort gefunden hat konnte ich nicht eruieren.
Blick von Bellavista auf Zernez und in das Unterengadin mit dem markanten Piz Linard (3'410 müM)In Bellavista steht ein kleines Blockhaus, das jedoch nicht öffentlich zugänglich ist. Hier betreten wir nun den schweizerischen Nationalpark. Ziel des Nationalparks ist es, ein Stück Natur sich selbst zu überlassen. Er umfasst 80 km markierte, teils alpine Wanderwege, die aber nicht verlassen werden dürfen. Ebenso ist campieren, biwakieren oder Feuer entfachen verboten. Von November bis Mai ist er geschlossen.
Die Wildheit und Abgeschiedenheit des Nationalparks im Allgemeinen und des Val Cluozza im Speziellen ist beeindruckend.
Natürlich muss man sich an die «Unordnung» der herumliegenden, toten Bäumen zuerst etwas gewöhnen.
Von Bellavista erblicken wir auch unseren letzten Übergang den 2'545 müM hohen Murter auf der linken Seite.
Unser erstes Tal im Nationalpark - das Val CluozzaDie Wanderwege im Nationalpark sind nicht mehr zu vergleichen mit den Bergwegen, welche wir bis anhin in abgeschiedenen Bergtälern antrafen. Sie sind sehr gut ausgebaut und unterhalten, teilweise gleichen sie eher Trampelpfaden. Dies hat natürlich damit zu tun, dass man die Wege nicht verlassen darf, alle Leute benutzen somit die gleichen Trails.
Auf dem «Panoramaweg» in Richtung Cluozza HütteUns ist dies heute mehr als willkommen - Marianne muss das Knöchel Innenband schonen, auf guten Wegen besteht weniger die Gefahr des Ausrutschens. Unterwegs treffen wir auch auf mehrere Familien, wir kommen ins Gespräch und dabei entsteht auch obiges Bild.
Im Val CluozzaBei jeder Gelegenheit einer Bachüberquerung nutzen wir die Gelegenheit, uns abzukühlen.
Insbesondere die aufgelaufenen Füsse kühlen wir minutenlang im eiskalten Wasser. Etwas Sorge bereitet mir die grosse Blase zwischen den Zehen, die mich nun schon erheblich stört und brennt. Hoffentlich geht das noch die nächsten Tage.
Am Osthang des Val Cluozza erreichen wir gegen Mittag die bekannte Chamanna Cluozza. Das Blockhaus befindet sich auf 1'882 müM und wurde bereits im Jahre 1910 errichtet. 1993 wurde die Chamanna Cluozza umfassend renoviert und bietet heute Platz für 68 Personen. Insgesamt stehen 44 Betten in Matratzenlagern und 24 in Zimmern zur Verfügung. Hier gönnen wir uns eine kurze Rast und geniessen die Kalorien in Form einer währschaften Bündner Nusstorte.
Kurze Rast vor der Chamanna CluozzaBei der Cluozza Hütte sticht mir das blaue Hinweisschild in die Augen ...
... was ich nicht gewusst hatte: es gibt im Nationalpark auch alpine Wege, die blau markiert sind.
Alpine Routen führen durch alpines, oft wegloses Gelände, über Schneefelder und Gletscher oder durch Fels mit kurzen Kletterstellen. Genau das Richtige für uns!
Sollen wie unsere geplante Route ändern?
Ich informiere mich und erfahre folgendes: Die alpine Route über den Fcla. Val Sassa soll etwas vom Schönsten sein, insbesondere das Val Müschauns und Val Trupschun. Leider lässt sich dieser Weg nicht mit unserem Ziel, dem Val Müstair, kombinieren, denn wir wollen ja nicht zurück ins Engadin. Also, gemerkt ist gemerkt, vielleicht kommen wir eines Tages an diese Stelle zurück.
Im Aufstieg zum letzten Übergang - dem MurterEingedeckt mit 3 Liter Wasser, nehmen wir nun den Aufstieg auf den Murter unter die Füsse. Es soll hier oben kein Wasser mehr geben, so dass wir alle Flaschen aufgefüllt haben, denn es ist wieder heiss, sehr heiss.
Auch sämtliche Tiere des Nationalparks haben sich wohl wegen der Hitze irgendwo verkrochen und geniessen eine Siesta oder sind höher gestiegen. Insbesondere die Steinböcke sind nicht Anhänger von heissem Wetter, sie haben sich auf die Gipfel verzogen.
Marianne im Aufstieg zum MurterGanz gehen wir dann doch nicht leer aus, vor dem Übergang auf dem Murter treffen wir auf mehrere Murmeltier Familien, die munter den Hang hinunterkugeln oder ihr Haus putzen. Dabei entstehen vor ihren unterirdischen Bauten grosse Erdhügel.
Die Tiere sind bereits gut genährt, ihr zottiges Feld glänzt in der Sonne. Ein Pfeifkonzert bekommen wir hier nicht mehr zu hören, sie haben sich an die Menschen gewöhnt - oder umgekehrt?
Einmal mehr steht uns nun ein grosser Augenblick bevor - wir erreichen den Murter und werden somit das erste Mal ins Val Spöl schauen können - wohl besser bekannt unter dem Begriff: Ofenpass Strasse. Ja, und dann ist es soweit, wir stehen oben und ein ergreifendes Panorama öffnet sich vor uns.
Auf dem Murter, im Tal unten das Val Spöl mit der Ofenpass StrasseHeute ist wirklich der ultimative Schönwettertag - auch um die Mittagszeit können wir nicht ein Wölklein am Himmel ausfindig machen ... oder doch? dann schauen Sie doch selbst welche Wolke wir dann doch noch entdeckt haben ...
Der einzige erkennbare Punkt am Himmel - der Schweif eines DüsenjetsWir rasten nochmals ausgiebig und geniessen diesen schönen Punkt. Uns ist es mittlerweile auch klar geworden, dass wir es nicht schaffen den Nationalpark heute zu durchwandern und bis nach Buffalora zu kommen, das wäre viel zu weit. Wir beschliessen also, uns Zeit zu nehmen und nur bis Plan Praspöl zu wandern, dort auf die Ofenpass Strasse zu gelangen und dann mit dem Postauto auf den Ofenpass zu fahren um zu nächtigen. Dank Mobiltelefon können wir die Reservation aus der Wildnis vornehmen - wir sind hier dankbar für diese technische Errungenschaft.
Vom Murter aus versuche ich ein Panoramaphoto zu machen in Richtung Val Sassa - auch wenn farblich und bezüglich Distanz nicht 100% gelungen, so vermitteln die drei zusammengesetzten Photos doch einen Eindruck vom grossartigen Rundblick.
Panoramaphoto vom Murter aus Richtung Val Sassa (links)
Gemächlich und sorgfältig steigen wir den steilen Weg nach Plan Praspöl ab, Marianne schont das Knöchelband und ich versuche meine Zehen «einzurollen».
Jetzt lieber langsam und etwas mehr Zeit brauchen als aufgeben müssen - denn das Ziel, Santa Maria, ist zwar noch nicht sichtbar, aber für uns in Reichweite.
Steiler Abstieg nach Plan Praspöl an der Ofenpass StrasseIm Val Spöl ist es nun leider mit der Stille und Ruhe vorbei, das Dröhnen der PS starken Motorräder auf der Ofenpassstrasse ist von weither hörbar. Eigentlich etwas schade, dass man diese extrem viel befahrene Passtrasse mitten durch die Idylle des Nationalparks führt. Doch dies war wohl 1910 noch kein Problem, als Postkutschen den Pass überquerten - Zeiten ändern sich.
Wir überqueren in Plan Praspöl die SpölAlso, man soll nicht nur kritisieren, wir sind heute auf jeden Fall sehr froh auf der Ofenpass Strasse in das klimatisierte Postauto steigen zu können, das uns auf den Ofenpass bringt. Morgen früh werden wir exakt an diese Stelle zurückkehren und unser Trekking weiterführen.
Doch wo ist er nur geblieben - der sagenumwobene Bär, wir bekamen ihn nicht zu Gesicht, obwohl Hinweisschilder von einer möglichen Begegnung warnen, wie folgende Verhaltensregel verdeutlicht: «Beim Angriff des Bären legen Sie sich flach auf den Boden, er wird dann feststellen, dass Sie keine Gefahr für ihn darstellen» - ja meine Nerven!
... Edelweiss Pracht in Jufplaun
Wir verbringen die Nacht (gezwungenermassen, man darf nicht zelten im Nationalpark) im Hotel auf dem Ofenpass. Die ganze Nacht brausen Motorräder über den Pass, wir sind deshalb nicht besonders gut ausgeschlafen. Zum Glück gibt es um 07:00 bereits einen Postautokurs, der uns zurück nach Chafuol bringt, dem Ort wo wir gestern das Trekking unterbrochen haben.
Ohne kleine Aufregung geht es heute morgen dann doch nicht, denn vom um 06:30 versprochenen Frühstück fehlt jede Spur, die Person hat sich schlicht verschlafen. Wir finden eine gute Seele im Hotel, die weiss wie die Kaffeemaschine in Betrieb genommen wird, so dass wir schlussendlich nicht mit leerem Magen zur zweitletzten Etappe starten müssen.
Morgenstimmung auf dem Ofenpass mit dem Stilfserjoch im HintergrundDass das Wetter auch heute einfach wieder schlicht grandios ist, erkennt man ja auf obigem Bild und muss nicht noch einmal erwähnt werden, unglaublich unser Glück, wir können es fast nicht fassen. Im Hintergrund erkennt man das Stilfserjoch.
Martin beim Füsse kühlen und KartenstudiumIm Postauto Richtung Chafuol treffen wir auf eine muntere Wandergruppe - in fröhlicher Stimmung. Wir kommen trotz früher Morgenstunde ins Gespräch.
Sie erzählen uns, dass sie aus dem Entlebuch kommen, wir beginnen über Wanderungen, Bergsteigen und Klettern zu fachsimplen ...
... dabei erfahre ich auch, dass ein Familienmitglied Bergführer in Interlaken ist - schlagartig steigt meine Aufmerksamkeit und ich frage: «Ja, wie heisst den dieser Bergführer, ich kenne dort ein paar Cracks?». Die Antwort kommt prompt: «Roger Schäli» ... mich haut's fast aus den Socken!
Wie klein die Welt doch ist, wir wandern da mutterseelenallein tagelang durch die Wildnis und treffen prompt Leute, die eng mit meinem Bekanntenkreis vertraut sind ... mit Roger war ich im Januar an der Eigernordwand ...
Der weitere Weg durch den Nationalpark ist Vergnügen pur (sofern man gerne wandert), alles im lichten Wald am Schatten und nur leicht ansteigend.
Bald erreichen wir die Alp La Schera, die heute natürlich keine aktive Alp mehr ist.
Unterwegs erblicken wir zahlreiche Waldameisenhaufen, die Ameisen sind im Dauerstress.
Blick ins Vallun VerdDer Weg zwischen Alp La Schera und dem Ende das Nationalparks in Buffalora ist sicher einer der schönsten Abschnitte. Die Aussicht auf den Lago di Livigno mit seiner markanten Staumauer Punt dal Gall ist sehr beeindruckend - ich versuche, nochmals ein Panoramaphoto zu machen - wenn auch nicht perfekt, so vermittelt es doch die Grossartigkeit des Ausblicks von La Schera aus.
Panoramaphoto, bestehend aus 5 Photos auf den Lago di Livigno von La Schera ausFür den Bau der Staumauer Punt dal Gall, wurde von der Schweizer Seite aus ein Tunnel unter dem Munt la Schera erstellt. Dieser diente dem Transport von Baumaterial für die 130 Meter hohe Bogenmauer. Nachdem die Mauer fertig gestellt und der See geflutet war, wurde der Tunnel mit Einschränkung auch für den allgemeinen Verkehr geöffnet.
Der Tunnel ist 3'385 m lang und beginnt in Punt la Drossa, an der Ofenpassstrasse, und verläuft östlich der Spölschlucht in praktisch gerader Linie nach Süden an das Nordufer des Lago di Livigno. Von dort aus verläuft die Strasse entlang des Ufers, die Zollstationen befinden sich an den Tunnelportalen. Der Tunnel ist nur einspurig befahrbar, der Richtungswechsel erfolgt üblicherweise alle 15 Minuten.
In Buffalora angekommen verlassen wir den Nationalpark, wir gönnen uns nochmals eine Rast, bevor es dann ins letzte Tal unseres Trekkings geht - das Val Mora / Val Vau.
Martin, vor Buffalora, gleicht nun mehr und mehr dem ÖtziDas Val Mora ist ein sehr einsames, wildes Hochtal, das parallel zum Münstertal verläuft. Es liegt praktisch konstant auf 2'200 müM und ist kaum bewohnt. Wir biegen in Buffalora nach rechts und erreichen das Feuchtgebiet von Jufplaun.
Plötzlich schreit Marianne auf - ich bin so verdutzt über ihren Gemütsausbruch, und das immerhin nach 11 Tagen Marschzeit, dass ich zuerst nicht verstehe was denn nun los ist. Sie interessiert sich ausgesprochen für die Alpenflora, im Nationalpark kam sie in dieser Hinsicht etwas zu kurz - doch was ist nun passiert?
«Schau, schau - hier hat es büschelweise Edelweisse!»
Wir erblicken die seltenen Edelweiss BlumenDas Edelweiss Leontopodium alpinum wurde in den letzten 200 Jahren in rauen Mengen gesammelt und stellenweise fast ausgerottet. Natürlicherweise tritt die filzige Pflanze in grösseren Beständen an sonnigen Kalkhängen bis in eine Höhe von 3000 m auf. Die eigentliche Blüte besteht aus feinen Röhren, die das gelbe Innere des Blütenkopfs bilden. Die sternförmigen Scheinblüten werden durch die weissfilzigen Blätter gebildet.
Marianne als «kleiner Punkt» auf der Hochebene von JufplaunWir wollen heute unsere Etappe zeitig beenden, um das schöne Val Mora noch voll zu geniessen und nicht einfach durch zu wandern bis nach Santa Maria.
So stellt sich einmal mehr die Frage nach dem idealen Zeltplatz.
Eine gute Gelegenheit bietet sich uns in der Nähe eines Brunnens beim Eintritt ins Tal an.
Wir sind wählerisch, da ein zügiger Wind weht hier oben, zudem haben wir im Falle eines Gewitters keine Zufluchtsmöglichkeit. Wir steigen ins Tal ab, in der Hoffnung den «Superplatz» zu finden - für einmal haben wir uns arg getäuscht, im Nachhinein würden wir sicher an diesem schönen Brunnen unser Zelt aufbauen ... Einzelheiten folgen.
Wäre das nicht ein wunderbarer Zeltplatz?Das Val Mora ist nicht nur sehr einsam, es ist auch ein Bikereldorado. Vom Lage di S. Giacomo di Fraéle gelangen Biker über den Chruschetta Pass in das Val Mora. Wir wandern hinab ins Tal und geniessen die wilde Landschaft.
Abstieg von Jufplaun auf dem Bikerweg hinab ins einsame Val Mora.Bei Alp Mora angekommen möchten wir nun doch bleiben, wir erkundigen uns bei der Alphütte ob es möglich ist, hier zu zelten. Der Senn empfiehlt uns den flachen Platz beim glasklaren Bach unten im Tal, dort seien bereits ein paar Leute. Ich erkundige mich wo denn die Kühe sind, da von ihnen rund um die Hütte keine Spur zu sehen ist. Er erklärt uns, dass diese auf einer Alp weiter aussen im Tal sind ... besser hätte er wohl gesagt waren!
Tatsächlich finden wir am Bach den «Superplatz» zum Zelten. Wir sind noch früh, die Sonne wärmt jetzt angenehm und wir geniessen eine ausgiebige Körperwäsche im wirklich eiskalten Wasser des Aua da Val Mora.
Nach dem Aufstellen des Zeltes gönnen wir uns ein Nickerchen. Dann sitzen wir bald vor unserer letzten Tomatensuppe.
Gegen Abend erkunden wir noch die nahe Umgebung, am Bach scheint noch die Sonne und wir geniessen die letzten Sonnenstrahlen. Alles ist friedlich und ruhig ... doch dann geht es plötzlich los. Ein Schall von hunderten von Kuhglocken ertönt aus der Ferne, die zweifellos näher kommen. Hat der Senn denn nicht gesagt die Kühe seien «düsse, uf dr Alp Sprella». Jedenfalls erkennen wir eine Horde von mindestens 50 brauen Kuhleibern die hungrig auf uns zusteuern - Nichts wie weg hier!
Blick ans Ende des Val MoraSo schnell habe ich das Zelt während des Trekkings noch nie abgebaut. Wir erforschen die andere Seite des Bachs, ob es dort Kuhdung gibt, ein sicheres Zeichen, dass die Tiere den viel Wasser führenden Bach queren können - es ist nichts zu finden.
Zwischen den Lärchen bauen wir das Zelt neu auf, bei einbrechender Dunkelheit legen wir uns dann etwas geschafft zum Schlafen.
Die Ruhe ist nur von kurzer Dauer, im Halbschlaf schrecke ich auf, unmittelbar neben dem Zelt bimmelt eine Kuhglocke, Zeltverschluss auf, Kopf raus - Tatsächlich, da steht sie und glotzt mich an - jetzt geht alles blitzschnell. Gäbe es einen Sport «Zelt-Ab-Aufbau», ich könnte mich für die Weltmeisterschaft melden.
Nun sind wir (etwas) schlauer, unsere sieben Sachen unter dem Arm marschieren wir etwas talauswärts unter dem Elektrozaun durch, der das sichere Ende der Kuhausflüge markiert zu besagter Gruppe Leute, die der Alp Mora Senn erwähnt hat. Hier stellen wir das Zelt an diesem Abend zum dritten Mal auf, dies in fast vollkommener Dunkelheit.
Noch sehen wir, dass überall um uns Schlafsäcke ausgebreitet sind, das stört uns jetzt aber nicht mehr, wir wollen jetzt endlich nur noch eines: Schlafen.
Dies gelingt dann auch, wir fallen in einen tiefen Schlaf ... kurz vor Mitternacht werden wir von dumpfen Trommelschlägen wieder geweckt, ach nein, jetzt auch das noch. Wir haben uns mitten in einer Gruppe von «Guru-Leuten» niedergelassen, die diesen einsamen Ort gewählt haben, um ihre Meditation auszuleben. Zum Glück dauert das Spektakel nicht lange und wir finden endlich, endlich unseren mehr als verdienten Schlaf.
... Wo Einsamkeit und Ruhe zu Hause sind
Nach der Aufregung des gestrigen Abends erwache ich mit Kopfschmerzen. Das erste Mal während des Trekkings fühle ich mich nicht gut ... während unsere «Gurus» ihr Sonnenaufgangsgebet abhalten. Da wir keine grosse Auswahl an Proviant mehr zum Frühstück haben, machen wir es kurz. Zusammenpacken und losmarschieren, unterwegs merke ich wie bleischwer mein Rucksack ist. Bin ich nun derart müde? Nein, ich habe das Zelt klitschnass zusammengepackt, wieder hatte sich sehr viel Kondensationswasser gebildet während der Nacht.
Grosse, letzte Trocknungsaktion auf der letzten EtappeNein, so wollen wir uns nicht abmühen. Bei einer Baumgruppe machen wir Halt und legen alle Utensilien zum Trocknen an die Sonne. Im nahen Bach kühlen wir nochmals unsere Füsse, denn es wird heute nochmals heiss, sehr heiss.
Wir sind nun nur noch etwa 3 - 4 Stunden von Santa Maria, dem «Ort der Trekking-Träume» entfernt. Jetzt werden wir es schaffen, selbst wenn die Blase zwischen den Zehen platzt und mich fast unerträglich brennt, jetzt würden wir auf die Zähne beissen.
Ein Blick zurück in Val MoraAuch am letzten Tag beglückt uns Petrus noch einmal mit einem Postkartenwetter der ersten Güte. Nach einer Stunde Rast wandern wir weiter - wir werden langsamer, wir sind müde, ja wir sind sehr müde. Ununterbrochen sind wir nun 12 Tage zwischen 6 und 10 Stunden gewandert, Marianne mit 7 - 9 Kg am Rücken, ich mit 12 - 15 Kg, dabei haben wir über 14'553 Höhenmeter überwunden, sind also von Meereshöhe weit über den Mount Everest hinausgestiegen und haben 205.5 Wanderkilometer hinter uns gebracht.
Marianne im Val Vau - die Sonne brennt - und müdeDoch es ist nicht nur die physische Anstrengung die sich nun bemerkbar, es ist auch das Mentale. Man weiss, das Ende ist in Sicht, man kann loslassen, man hat ein grosses Ziel erreicht.
Doch bevor es endgültig soweit ist, heisst es nun vorerst noch einmal absteigen von Döss Radond hinab ins Val Vau. In Döss Radond zeigt der Wegweiser hinauf zum Pass Umbrail - «Kommst Du mit?» ... Stille ... ja, das war nur ein Scherz.
Im Val Vau, jetzt ist es nicht mehr weit bis Santa MariaDie Zehen brennen mich nun fast unerträglich, nochmals legen wir eine Rast in einem Alpenrosenteppich am Bach Aua da Vau ein. Als ob er uns aufmuntern wollte, gesellt sich ein hellblau, goldfarben getupfter Schmetterling zu uns. Immer wieder nimmt er Platz auf meiner Hand und springt von Finger zu Finger. Ich sehe deutlich, wie er mit dem winzig kleinen Rüssel Schweisstropfen von der Haut aufnimmt, wir können seine ganze Schönheit bewundern. Schade, dass ich nicht genügend zoomen kann mit meiner Kamera, so kann ich diesen eindrücklichen Moment nicht festhalten. Solch wunderbar blauschimmernde Schmetterlinge haben wir übrigens während des ganzen Trekkings beobachtet, vor allem an feuchten Stellen.
Alpenrosen im Val Vau, an unserer letzten RaststätteWir raffen uns auf, nächster Halt Santa Maria, jetzt ziehen wir das Ding durch. Erstaunlicherweise haben wir nie unter der Last der Rucksäcke gelitten, man gewöhnt sich daran, wobei ich denke, dass 15 Kilogramm das Maximum ist, das man tagelang schleppen kann.
Nach einigen Kehren auf der staubigen Strasse ist es soweit, wir erblicken zwischen Lärchen Santa Maria, in 30 Minuten werden wir in einem Gartenrestaurant bei der verdienten Glace sein.
Von Freude erfüllt bewältigen wir die letzten Meter hinab ins Tal, zurück zu den Menschen, dem Volg Laden, dem Postauto, dem weichen Bett ...
... reich an Erinnerungen, die uns niemand mehr nehmen kann.
Santa Maria in SichtDie letzten Meter ... wir sind da, jupieeehhh ...
... Marianne nach einer grossen Leistung ...... und auch ich bin stolz auf dieses Erlebnis, für heute ist der (Wander) Appetit gestillt, doch schon bald wird er wieder kommen, dieser Drang zu erforschen, wie es denn wohl hinter diesem Gipfel aussehen möge und dem Nächsten und Übernächsten.
Der Stoff für unsere Leidenschaft wird uns kaum so schnell ausgehen, in diesem wunderbaren Land, ja - haben Sie denn schon mal was vom Val Minger gehört? Höchste Zeit, dieses sich anzuschauen, wo es ist, erfahren Sie vielleicht irgendwann in einem weiteren Trekkingbericht.
No Comments, Ötzi am ZielWir danken bei dieser Gelegenheit allen Leuten, die uns geholfen haben, dieses Trekking zu ermöglichen. Allen, die uns mit wertvollen Hinweisen den besten Weg zeigten, die uns ermunterten und unsere Leidenschaft teilten - engraziel fetg.
... auf Wiedersehen, wir kommen wieder, far vacanzas el Grischun.
Oberdiessbach, 2. August 2006, Marianne und Martin Zahn
Alpin Trekking Ilanz - Santa Maria
( Achtung: Die untenstehenden Photos sind z. Teil 1 - 1.5MB gross ! )