An der Ochsen Ostwand ...
... oder der Abschluss unserer 2000-er Trilogie.
Martin Zahn / Bruno Schmid 03.02.2007
Unsere Trilogie der 2000-er bestand darin, Nünenenfluh,
Gantrisch und Ochsen
auf einer möglichst schweren, noch machbaren Route zu durchsteigen.
Warum in die Ferne schweifen?
Von wilder Schönheit, majestätisch, überragend, abweisend
- Ochen? - nie gehört!
Oder doch ... ist dies jenes kastrierte männliche Rind? - Was ein Berg? hier in der
Nähe? So etwa reagiert die nicht vom Bergvirus angesteckte Bevölkerung im Raume
Thun. Man kennt den Gantrisch, jenen von weit her sichtbaren Berg, im gleichnamig
benannten Gebiet am Ursprung der Gürbe, aber Ochsen, nein nie gehört.
Da können wir nur sagen: Schade, die Wildheit seiner Ostwand hat
uns jedenfalls fasziniert und den Wunsch aufkommen lassen deren Ostwand, als Abschluss
unserer Trilogie: Nünenen-Westwand,
Gantrisch-Nordwand und
eben Ochsen-Ostwand zu durchsteigen.
Die Ochsen Ostwand und unsere Linie vom 03.02.2007
Erkundungstour
Im Internet können wir keine Angaben zu einer Durchsteigung der Ochsen
Ostwand finden und auch in keinem Führer ist etwas darüber zu finden -
das erstaunt uns. So machen wir uns eine Woche vor der Durchsteigung auf um die
wilde Seite dieses Berges unter die Lupe, oder sagen wir besser vor die Linsen des
Feldstechers zu nehmen.
Auf dem Weg zur Ochsen Ostwand
|
Nebel verhüllt uns teilweise die freie Sicht auf die Wand.
Wir steigen an der Gegenseite so weit als möglich empor und warten
bis sich der Nebelvorhang etwas lüftet - wauu welche Wildheit!
Die machbare Route haben wir dann bald gefunden und memorisiert, es kann
losgehen.
|
Im unteren Teil ist reine Felskletterei angesagt, wir
schätzen, dass wir nach 4 Seillängen einen flacheren Vorsprung erreichen
sollten. Dann in einem steilen Schnee/Eisfeld empor, etwas rechts an einen
Felsriegel der sich bis zum Grat hinaufzieht. An dessen linken Seite nun leicht
nach links hinauf auf den Grat. Ein direkter Anstieg zum Gipfel ist kaum
möglich, da eine Absicherung nur noch sehr schwierig anzubringen ist.
Suche nach Sicherungspunkten
Am 03.02.2007 ist es soweit, bepackt mit bergsteigerischer Hardware geht es los
und wir zweifeln nicht eine Sekunde daran es nicht zu schaffen. Immerhin haben wir
bereits unsere Sporen am Morgenberghorn,
Drunengalm,
Gantrisch und
Nünenen
abverdient. Wir wissen also was uns etwa erwartet in diesen Voralpen
Spielplätzen.
Der besondere Reiz an einem solchen Durchstieg ist die eigene Absicherung
Im unteren Teil ist reine Felskletterei angesagt, ständig auf der Suche
nach geeigneten Ritzen und Spalten um einen Friend oder Keil anzubringen steigen
wir Meter um Meter höher. Die teilweise losen Felsbrocken erschweren das
Klettern, grosse Vorsicht ist geboten um nicht einen Steinschlag auszulösen
und dabei den Kollegen zu gefährden oder selbst abzustürzen.
Hast und Eile ist hier fehl am Platz, man muss sich die
Zeit nehmen, möglichst sicher für alle Beteiligten
hochzusteigen.
Ein Flucht nach vorn kann kritisch werden und
gefährdet schliesslich auch den Partner. Grundsätzlich sollte es
also immer möglich sein, den Rückzug wieder anzutreten.
|
Bruno, gesichert an selbst angebrachten Sicherungspunkten
|
Enger Kamin
Nach drei Seillängen, stehen wir plötzlich in einem
engen Kamin, mit recht glatten Wänden. Zum Glück hat sich ein grosser
Felsbrocken darin verkeilt, der einerseits eine Sicherung zulässt und
andererseits uns die Möglichkeit gibt den Kamin zu erklettern. Ich kann einen
Friend in eine schöne Spalte setzen, dann reisse ich kurz mit aller Kraft
daran um sicherzustellen das er hält - perfekt!
Eigener Stand an Friends und Ausgleichsverankerung
Es ist eng im Kamin und der Rucksack verkeilt sich dauernd, ich
versuche mich wie ein Wurm zu winden und zu drehen um ausserhalb des Kamins einen
Tritt zu finden. Es ist anstrengend und ich gerate ins Schwitzen, meine Atmung ist
auf Volltouren wie nach einem Lauf aufs Berner Münster. Und doch macht die
Sache Spass und wir beide quietschen vor Freude, also doch das Kind im Mann und der
Berg als Spielplatz - so ist das.
Empor im Schnee/Eisfeld
Wie erwartet, erreichen wir nach der Felskletterei einen
Vorsprung, der in ein steiles Schnee-/Eisfeld mündet. Friends und Keile
brauchen wir hier keine mehr, dafür gilt es nun die Steigeisen zu montieren.
Wir entschliessen uns nicht mehr zu sichern, da die Steilheit es zulässt, dass
jeder allein für sich emporsteigen kann.
Am Einstieg zum Schnee-/Eisfeld
|
Das Steigen in steilen Schnee-/Eisfeldern bietet hier eine schöne
Abwechslung zur Felskletterei im ersten Teil.
Bruno zieht das Seil hinter sich her, um es jederzeit wieder griffbereit
zu haben, sollte dies erforderlich sein.
|
Rasch gewinnen wir an Höhe und der Tiefblick an den Einstieg
unserer Tour lässt den Puls höher schlagen. Immer wieder geniesse ich
dieses prickelnde Gefühl der «Viel Luft unter
dem Hintern». Man kann sich daran gewöhnen ohne in
Angstschweiss auszubrechen, nach einigen Touren kann man es sogar geniessen und man
bewegt sich sicher und konzentriert, wohl wie ein Dachdecker, dem sein
Arbeitsumfeld auch nicht mehr dauernd Adrenalin ins Blut presst.
Martin im Schnee-/Eisfeld
Heute habe ich auch die Gelegenheit, die von Bruno entwickelt Pickelsicherung zu
testen. In jeder landwirtschaftlichen Genossenschaft, auch
«Landi» genannt, kann der Bauer so genannte
«Kuhschwanz Aufbinde Kabel» kaufen.
Es handelt sich dabei um ein hochelastisches Kabel oder
Band ... das sich nicht nur zum Aufbinden von Kuhschwänzen eignet ...
sondern eben auch als Pickelsicherung.
«Hey Brüno - Super
Deine Erfindung - schon angemeldet beim Patentamt?».
Die Sicherung der Pickel ist tadellos
und nicht störend. In diesem Gelände hätte der Verlust dieses
Bergsteigerutensils sehr unangenehme Folgen.
|
Martin mit der von Bruno entwickelten Pickelsicherung
|
Bald erreichen wir das Ende des Schneefeldes, und wir klettern
nun in einem teilweise sehr steilen Band unterhalb eines Felsriegels dem Grat
entgegen. Ein Stück von etwa 10 Meter ist nahezu senkrecht und wir geraten an
den «Anschlag» des
Verantwortbaren - habe ich nicht eben zu Beginn dieses Artikels von der Flucht nach
vorn gewarnt? - und was mache ich jetzt gerade - genau das, es wird
kritisch!
Bruno im Schnee-/Eisfeld, das Seil hinter sich her ziehend
Wir können nicht mehr sichern und
müssen uns zu 100% darauf verlassen, dass der Pickel, den wir oberhalb vor uns
einschlagen nun hält. Das dabei kein Foto mehr entsteht, sei hier nun am Rand
angemerkt, wir sind heilfroh diesen heiklen Part überstanden zu haben und bald
erreichen wir den Gipfelgrat des Ochsen.
Bruno auf dem Gipfelgrat zum Ochsen
Nach der Querung hinüber zum Gipfel des Ochsen erfassen uns
dann auch die Sonnenstrahlen, das «Nordwand
Feeling» weicht und wir geniessen die Stille,
Rundsicht und Wärme auf der Sonnseite dieses Berges - wie heisst er denn nun
schon wieder ... ?
Martin auf dem Gipfel des .... Ochsen!
Damit geht unsere Trilogie der 2000-er zu Ende, was werden wir
wohl als Nächstes anpacken - wir werden es sehen.
Oberdiessbach, 10.02.2007 - Martin
Zahn
|
Photogallerie - An der Ochsen Ostwand
(Achtung - Photos sind 1-2 MB
gross)
|