An der Nünenen Westwand ...
... oder beim zweiten Durchsteigungsversuch hat's geklappt.
Martin Zahn / Bruno Schmid 20.01.2007
Unsere Trilogie der 2000-er bestand darin, Nünenenfluh,
Gantrisch und Ochsen
auf einer möglichst schweren, noch machbaren Route zu durchsteigen.
Gewisse Dinge klappen nicht auf Anhieb
In der Gantrisch Region gibt es keine Viertausender - dafür umso
mehr Zweitausender wie Stockhorn, Chrummfadenfluh, Nünenen, Gantrisch, Bürglen
und Ochsen. Das Gemsgrätli ist mit Sicherheit der Inbegriff zur Besteigung der
Nünenenfluh (gelb eingezeichnet). Es ist meines Wissens der einzig «machbare
Weg» auf diesen schroffen Gipfel. «Machbar» heisst in diesem Fall aber
nicht, dass ein Bergweg dort hinauf führt, vielmehr sind Steigeisen, Seil und Pickel
erforderlich.
Nachdem ich die Nünenenfluh über das Gemsgrätli nun schon
sieben Mal bestiegen habe, davon drei mal allein und zweimal davon im tiefen Winter, mit
meterhohen Wächten auf dem Gipfel, war es nun höchste Zeit einmal eine neue
Linie auszuprobieren
Nünenenfluh (Westwand) mit Gemsgrätli und unserer Linie
Ein erster Versuch
Am Sonntag 14.01.2007 starteten Bruno Schmid und ich, mit der festen Absicht die
Wand auf einer neuen Linie zu durchsteigen. Wie üblich erkundeten wir zuerst
gemeinsam die Route mittels Feldstecher, bald waren wir uns einig und es konnte
losgehen. Doch wohl etwas zu übermütig - wir verzichteten auf so
hilfreiche Sicherungsgeräte wir Friends und Schlaghaken - ja, von unten sieht
eine Wand halt immer humaner und flacher aus, das war an diesem Tag nicht anders.
Dieser Umstand zwang uns dann aber bald zur Umkehr.
Der unterste Teil ist sehr anspruchsvoll - nahezu senkrecht - Bruno beim
zweiten Anlauf in der schwierigsten Passage.
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Bereits die ersten sehr steilen 30m, die wir ohne Sicherung erkletterten
brachten uns arg ins schwitzen.
Wir mussten einsehen, dass wir hier ohne umfangreiche
Kletterausrüstung keine Chance haben - so stiegen wir vorsichtig wieder
ab, mit der festen Absicht es bald wieder zu versuchen.
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Beim zweiten Versuch klappt es
Ein Woche später war es bereits soweit, mit unzähligen Schlaghaken,
Schlingen, Friends und Keilen wollten wir die Wand in die Knie zwingen, jetzt
lassen wir uns nicht mehr entmutigen. Bepackt, wie ein geschmückter
Weihnachtsbaum starteten wir bereits in aller Frühe. Wirklich winterlich sieht
es wahrlich Mitte Januar 2007 hier oben nicht aus, kaum mehr Schnee, ein
ungewohnter Anblick!
Martin, bepackt mit Klettermaterial wie ein Christbaum
Nochmals erkunden wir die neue Linie, steigen dann im spärlich vorhandenen
Schneefeld an den Einstieg. Gleich finden wir dort einen schönen Riss um einen
Friend zu plazieren für den ersten Stand. Ich übernehme die erste
Seillänge, ich fühle mich heute gut, sicher und entschlossen
durchklettere ich das heikle Gelände. Die Kletterei ist nicht schwierig,
jedoch sehr heikel. Das heisst, man muss jeden Felsbrocken an dem man sich
hochzieht unbedingt vorher testen, es hat viel - sehr viel loses Gestein hier oben.
Auch die Sicherung ist anspruchsvoll, wo immer es geht setze ich einen Friend oder
treibe einen Schlaghaken in eine Ritze.
Sehr anspruchsvolle zweite Seillänge
Es gelingt mir einen recht guten und zuverlässigen Stand einzurichten.
Bruno klettert mühelos zu mir hoch, wir kennen ja diese Stecke bereits, wir
wundern uns heute beide, wie wir es wagen konnten ungesichert hier vor einer Woche
hochzuklettern. Heute sind wir froh, über genügend Material zu
verfügen um zu sichern wo dies möglich ist. Die zweite Seillänge
erweist sich als Knacknuss, nahezu senkrecht und durchsetzt von
heimtückischen, losen Felsbrocken klettert Bruno Zentimeter um Zentimeter nach
oben. Es ist äusserst schwierig ein Sicherung anzubringen, wir kommen an das
maximal mögliche und verantwortbare Limit.
Blick nach unten aus dem ersten Stand - schwieriges Klettergelände!
Sehr ruhig und konzentriert steigt Bruno hoch, bald ist keine Sicherung mehr
möglich und er muss etwa 10 Meter über die letzte Sicherung, einen
Friend, hinaussteigen. Zum Glück haben wir genügend davon mitgenommen,
anpassungsfähig wie Füchse in der Stadt, passen diese grandiosen
Klemmgeräte fast in jede Ritze. Ich bin ehrlich gesagt sehr froh, als er oben
in flacheres Gelände kommt und dort einen Stand bauen kann.
Dann geht alles leicht
Nach dem ersten, sehr anspruchsvollen ersten Drittel wird das
Gelände leichter, vergleichbar mit dem Gemsgrätli, das wir ja gut kennen.
Durch unsere gemeinsamen Touren am Morgenberghorn
und durch die Gantrisch
Nordwand haben wir mittlerweile soviel an Sicherheit gewonnen, dass uns dieses
Gelände kaum mehr fordert.
Bruno in der dritten Seillänge - es wird leichter
Bruno testet heute das erste Mal seine neue
Pickelsicherung.
Normalerweise klettern wir ohne Handschlaufen an den
Eisgeräten, da diese das Handling mit dem Material sehr erschweren.
Verliert man jedoch ein Eisgerät in solchem
Gelände, ist man arg aufgeschmissen. Zum Glück ist dies noch nie
passiert.
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Bruno im Schneefeld
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Trotzdem sind wir uns diesem Umstand bewusst, ein Weiterkommen
ohne Eisgeräte ist hier kaum mehr möglich und ein Abseilen wäre sehr
umständlich. Deshalb haben wir uns schon seit einiger Zeit Gedanken gemacht,
wie wir eine optimale Pickelsicherung konstruieren könnten.
Bruno im Element mit seiner selbst entwickelten Pickelsicherung
Ohne weitere Problem steigen wir nun auf den Gipfel der
Nünenen, ich geniesse dieses leichte Steigen nach der psychischen Anstrengung
im unteren Teil. Bruno ist heute nicht ganz auf dem «Damm», er hat sich im Militärdienst etwas erkältet.
Doch seine jugendliche Frische erlaubt es ihm, auch etwas krank seinem Partner, oft
auch «Vättu» genannt zu folgen.
Abwechselnd im Schneefeld, dann wieder im steilen Gras steigen
wir möglichst versetzt dem Gipfel entgegen. Versetzt deshalb, weil wir immer
wieder lose Felsbrocken antreffen, die wir möglichst nicht ins Rollen bringen
wollen.
Auf dem Nünenen Gipfel, Bruno etwas krank aber trotzdem happy es nun im
zweiten Anlauf geschafft zu haben.
Mittlerweile hat das Wetter aufgeklart und wir geniessen die
herrliche Aussicht. Auch wenn ich nun schon zum 8. mal hier oben stehe, ich
geniesse den Augenblick, die Weitsicht und Ruhe immer wieder aufs Neue. Mit einem
Freund und Kollegen hier gesund oben anzukommen macht natürlich noch mehr
Freude.
Oberdiessbach, 20.01.2007 - Martin
Zahn
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Photogallerie - An der Nünenen Westwand
(Achtung - Photos sind 1-2 MB
gross)
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