Die wilde Seite des Morgenberghorns
... durch die Morgenberghorn Nordwand
Martin Zahn / Bruno Schmid am 01.12.2006
Runsen, Rinnen, Couloirs
Das Morgenberghorn (2249m, Koordinate 627/163), gehört zum Thunersee wie die
Schweizerische Nationalgarde zu Rom und zum Papst. Früher gehörte dieser Berg
in das Repertoire jeder Schulreise, ob das auch heute noch so ist, kann ich nicht
beurteilen. Doch das Interesse von Bruno und mir gilt heute nicht dem von der Sonne
beschienenen Normalweg auf diesen prächtigen Aussichtsberg, sondern der wilden Seite
dieses Berges. Es war Zeit geworden, wieder mal ein Abenteuer der besonderen Art zu
starten und so suchten wir uns diese Spielwiese aus, die geprägt ist von Rinnen,
Runsen und Couloirs.
Unsere Route - im Zickzack dem Gipfel entgegen
Dank der kurzen Anfahrt von Spiez nach Krattigen und der guten Strasse
bis nahe unter die dunkle Wand mussten wir nicht in aller Frühe aufstehen.
Da die Wand für uns beide «Neuberg» darstellt und man
kaum Berichte findet von einer Durchsteigung, machten wir in genügend grossem
Abstand von der Wand einen Halt um die Route zu studieren. Wenn man einmal in diesem
wilden Gelände ist und sich den Weg durch die zerklüfteten Felsen nicht gut
gemerkt hat, kann dies sehr unangenehm werden - ein Abstieg könnte heikel werden. Im
unteren Teil versperren Felsriegel einen direkten Aufstieg, wir sind ja ohne Seil
unterwegs, müssen also einigermassen kletterbares Gelände finden.
Blick auf die «Sonnenseite»
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Bereits vom Einstieg unserer Route, welcher sich bei einem
markten Schneefeld befindet geniessen wir einen Blick auf die
«Sonnseite».
Der Thunersee breitet sich unter uns aus mit einem Nebelmeer
über dem Mittelland.
Dieser phantastische Blick hat wohl schon viele Morgenberghorn
Wanderer in ihren Bann gezogen.
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Die Routenwahl durch dieses Labyrinth ist nicht ganz einfach, wir suchen uns ein
markantes Couloir auf der linken Seite der Wand aus, in dem bereits etwas Schnee liegt,
keine einfache Angelegenheit in diesem sehr milden Dezember 2006. Zum Glück ist der
Boden fest gefroren, so dass wir die Eispickel oft und gut in den mit Gras
überwachsenen Felsen plazieren können.
Heikle Kletterstellen
Im unteren Teil geniessen wir den leichten Aufstieg durch das
40-50 Grad steile Couloir. Der Schnee ist fest gefroren und man steigt ohne Gefahr
und mit Leichtigkeit dem Himmel entgegen.
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Couloir im unteren Teil mit Blick nach oben
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Doch die Freude des leichten Aufstieges hat bald ein Ende, das Couloir
wird steiler und steiler und endet schliesslich in einem unüberwindbaren Bollwerk.
Wir queren nun nach rechts auf den Kamm des Grates, in der Hoffnung, dort einen
Durchschlupf zu finden. Die Querpassagen sind teilweise recht heikel, da die Felsen hier
kaum mehr mit Gras bedeckt sind und man sich schlecht sichern kann.
Die Spielwiese wird steiler und auch nicht ganz unproblematisch
Das Queren nach rechts hat sich gelohnt, nach heiklen Passagen finden
wir ein neues Couloir das direkt zum Gipfel hochzieht. Erneut steigen wir in lockerer
Art, manch ein Wanderer würde sich wohl auf dem Wanderweg unterhalb der Wand
wundern, wie leicht man in solchem steilen Gelände hochsteigen kann. Wir geniessen
die Wildheit dieser Wand, die wohl nur sehr selten solche «Spinner» zu Gesicht bekommt, die
es als Spass empfinden hier mit grosser Konzentration hochzukraxeln.
Von Wassereis bedeckte Felsen im oberen Teil
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Die Felsen im Couloir sind hier im oberen Teil der Wand teilweise mit Wassereis
bedeckt, das nur dünn ist.
Doch es dick genug um die Eispickel zu setzen und sich hochzuziehen. Es gilt
immer die Devise, dass drei Punkte gut verankert sein müssen in solchem
Gelände.
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Schneefeld unter dem Gipfel
Wieder können wir nicht im Couloir bleiben, plötzlich ist
kein Schnee mehr vorhanden, der ein sicheres Steigen ermöglicht. Unter dem Schnee
befindet sich blanker Fels, unmöglich hier in 50 Grad Steilheit hochzuklettern. Wir
weichen erneut auf den Kamm des Couloirs aus, das hier oben nun wirklich sehr steil ist,
wir schätzen 65 - 70 Grad. Doch zum Glück geben die mit Alpenrosen bewachsenen
Felsen einen genügend grossen Halt, auch wenn unser Pulsschlag nun doch deutlich
gestiegen ist - ein Zurücksteigen wäre nun sehr mühsam.
Tinu, voll konzentriert im sehr steilem oberen Teil mit Tiefblick
Doch der Gipfel rückt nun näher und wir gelangen schliesslich
in ein Schneefeld direkt unter dem Gipfel. Wir erblicken bereits die «Bernerfahne» am höchsten Punkt. Bruno steigt nun in direkter
Linie zum Gipfel während ich etwas nach rechts steige um von Bruno noch eine
Aufnahme aus Distanz zu machen.
Trotz dem sehr milden Herbst, hat es hier auf der Nordseite des
Morgenberghorns bereits recht viel Schnee.
Zum Glück, denn damit ist ein Aufstieg eigentlich locker zu
bewältigen.
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Schön wenn man in diesem steilen Gelände mit einem Lächeln
hochsteigen kann - Bruno kann es!
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Wir geniessen die wunderbare Stimmung hier oben, hoch über dem Thunersee. Es
ist still, während wohl unten in den Städten manch eine/einer gestresst bereits
die Weihnachtsgeschenke im Rummel der Geschäftigkeit aussucht - wir haben unsere
Weihnacht hier oben.
Blick zurück in unseren Aufstieg im oberen Teil
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Die Landschaft und Natur rund um den Thunersee ist wirklich
imposant.
Für den Bergsteiger und Kletterer ein Eldorado in jeder
Hinsicht. Sonnige, steile Felsen für den Sportkletterer, schöne steile
Wände dem Nordwandfreak ...
... ich gehöre beiden Gattungen an.
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Bis zum Gipfel sind es nun nur noch wenige Höhenmeter, oben werden
wir bereits von einer Wandererin empfangen, die die Wärme der Sonnenstrahlen und den
Blick auf die 4000-er der Berner Alpen geniesst.
Bruno unterhalb des Gipfels im Schlussaufstieg
Um die Mittagszeit dieses 2. Dezember 2006 geht «unser
Abenteuer» zu Ende, wir sind glücklich - und um eine schöne Erfahrung
reicher.
Oberdiessbach, 02.12.2006 - Martin Zahn
Photogallerie - Durch die Morgenberghorn Nordwand
(Achtung - Photos sind 1-2 MB
gross)
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