Balsam für Körper und Geist oder ...
Streckenprofil und Höhenmeter
Ort
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Meereshöhe
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Aufstieg in [m]
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Abstieg in [m]
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Wasserscheide
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1'580
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Morgetepass
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1'959
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379
|
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Mittlig Morgete
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1'655
|
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304
|
Grenchengalmpass
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1'884
|
229
|
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Widdersgrat
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2'104
|
220
|
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Homad
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1'870
|
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234
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Vorder Richisalp
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1'741
|
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129
|
Chänelpass
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1'791
|
50
|
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Steinig
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1'538
|
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253
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Sattel am Stierengrat
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1'808
|
270
|
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Ober Neugantrisch
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1'406
|
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402
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Salzmatt
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1'637
|
231
|
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Schwarzsee
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1'047
|
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590
|
Euschelspass
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1'567
|
520
|
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Jaun Dorf
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964
|
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603
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Chalet du Soldat
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1'752
|
788
|
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Wolfsort
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1'921
|
169
|
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Les Adannes
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1'379
|
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542
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Col de la Forcla
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1'683
|
304
|
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Unterhalb Rocher de Rayes
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1'626
|
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57
|
Rougemont
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970
|
|
656
|
Les Dounes
|
1'525
|
555
|
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Unterhalb Rubli
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1'757
|
232
|
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Trittlisattel (Gummfluh)
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1'952
|
195
|
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Col de Jable
|
1'884
|
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68
|
Gros Jable
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1'824
|
|
60
|
Les Vuitres
|
1'343
|
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481
|
La Case
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1'918
|
575
|
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Les Arpilles
|
1'767
|
|
151
|
Paquier Mottier Anhöhe
|
1'581
|
|
186
|
Pas de Saxieme
|
1'761
|
180
|
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Oberhalb Col de Seron
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2'320
|
559
|
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Alp ob Les Diablerets
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1'681
|
|
639
|
Leysin
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1'350
|
|
331
|
Total
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5'456
|
5'685
|
Motivation und Vorbereitung
Der Titel unserer Trekkingwoche beinhaltet etwas Spirituelles, nicht
Fassbares - die Eindrücke der letzten Tagen begleiten uns auch zwei Tage nach der
Rückkehr aus dem Bergfrühling noch auf jedem Schritt und Tritt. Um abzutauchen
in eine «andere Welt» muss man sich also nicht in eine Wüste oder einen
Dschungel an einem einsamen Ort der Welt zurückzuziehen - man findet die Ruhe und
Abgeschiedenheit in unserer Nähe. Tagelang wanderten wir über Bergkämme,
Grate, blühende Matten zwischen unserem Ausgangspunkt Gurnigel und dem Ziel Leysin,
ohne einem Menschen zu begegnen.
Bergfrühling an der Pointes de sur Combes (unterhalb
Gummfluh)
Die Inspiration, ohne fremde Hilfe während sechs Tagen in der
«Wildnis zu überleben» entnahm ich den zahlreichen Büchern von
Reinhold
Messner (Die weisse Einsamkeit. Mein langer Weg zum Nanga Parbat).
Natürlich ist unsere Tour überhaupt nicht vergleichbar mit den kaum
vorstellbaren Leistungen eines Reinhold Messners - uns ging es bloss darum, die doch so
angenehme Zivilisation für ein paar Tage zu verlassen und ganz auf uns gestellt zu
sein. Konkret bedeutet dies auch das Schleppen des «eigenen Hauses» und der
gesamten Verpflegung - ein 20kg schwerer Rucksack war somit unvermeidbar. Wir bewegten
uns schneckengleich vorwärts, ohne Zeitvorgabe, einfach so, in den Tag hinein. Dabei
kamen immerhin mehr als 5'400 Höhenmeter im Aufstieg zusammen.
Enziane bei Alpiglen Mären
|
Die Frage: «An was denkt man den während Stunden und
Tagen wo man nichts anderes zu tun hat ausser laufen?» ist wohl
berechtigt.
Ja, man denkt sicher nicht mehr lange an die Steuerrechnung,
über die man sich eben noch geärgert hat, und all die anderen
«Unwichtigkeiten» im Leben des zivilisierten Menschen.
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Schnell wird man eingeholt von den Düften der blühenden
Bergwiesen und den sprudelnden Bergbächen, während ein Murmeltier nicht weit
weg vom Bergweg einen schrillen Warnruf ertönen lässt - dies ist doch der
Balsam für Körper und Seele!
Auch wenn es nicht darum geht, einen Nanga Parbat oder Ama Dablan zu
besteigen, so ist doch ein Ausdauertraining notwendig, um Tagestouren von 8 - 10 Stunden
ohne Ruhetag «durchzustehen». Wir nutzten den wunderbaren Winter für
ausgedehnte Schneeschuhtouren.
Nebst einem Ausdauertraining ist die Stärkung der
Rückenmuskulatur das Wichtigste. Erträgt man die Last des Rucksacks auf den
Schultern während Stunden nur mit Mühe, so wird auch die schönste
«Tour» bald zur «Tortur» und die Wanderslust ist vorbei.
Mit Freude beobachtete ich auch die Aktivitäten von Marianne beim
Nordic Walking - sogar ein Berglauf (Blüemlisalp Lauf) absolvierte sie - und das
ganz und gar ohne «sanften» Druck von meiner Seite - Chapeau!
Über Stock und Stein vom Gurnigel zum Schwarzsee
Der Wetterbericht für die Zeit vom 05.06.05 - 10.06.05 versprach
gutes Wetter für die zweite Wochenhälfte, Bewölkung und teilweise Regen
für den Anfang der Woche. Wer sich in den Bergen aufhält weiss, wie wichtig es
ist, gutes Wetter zu haben. Nässe und Kälte gehören, wie eine
unzureichende Kondition, zu den Faktoren die ein solches «Unternehmen»
scheitern lassen können.
Morgenstimmung vor dem Start auf dem Gurnigel
(Wasserscheide)
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Verlassen präsentiert sich das Naherholungsgebiet der Stadt
Bern am frühen Morgen um 06:30, welch ein Gegensatz zu den oft
überbelegten Parkplätzen, welche man typischerweise bei Inversionen (oben
blau und unten grau) antrifft.
Trotzdem beherrscht eine knisternde Angespanntheit die Szenerie
- werden wir es schaffen, werden wir Leysin erreichen?
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«Na dann Tschüss» und ein Abschiedskuss an unsere
Eltern, die extra wegen uns so früh aufgestanden sind um uns an den Ausgangspunkt zu
bringen - Merci!
Im Aufstieg zu unserem ersten Pass (Morgete) - es sollten noch
einige kommen - treffen wir bereits auf die ersten Schneeresten. Die wärmende
Sonne im Rücken verleiht uns jedoch Flügel. Bald haben wir unseren
Rhythmus gefunden und sind im «Fettverbrennungsbereich».
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Marianne mit Vollpackung beim Aufstieg zum
Morgetepass
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Bei der Durchsicht der Tageszeitungen nach unserer Rückkehr
sticht mir eine Überschrift in die Augen: «Ernährungskurs für
übergewichtige Kids» - also, soweit haben wir es gebracht in unserer
Überflussgesellschaft. Da können wir nur sagen: «Weniger Gummibärli
dafür mehr Grizzlibären» oder raus in unsere wunderbare Landschaft!
Abstieg nach Undrist Morgete, mit dem Widdersgrind im
Hintergrund
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Nach der Überquerung des Morgetepasses, erfasst uns eine
wohltuende Stille, wir fühlen uns beide stark und fit, wir glauben an das
«Durchkommen».
Wir durchwandern eine wahrlich wilde Gegend, was schon durch
Namen wie «Hengstschlund», «Widdersgrind»,
«Muscherenschlund», «Schafarnisch» und «Widdergalm»
deutlich zum Ausdruck kommt.
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Die Tourismusbranche preist die Gegend mit folgender Kurzwerbung an:
Die Wanderung vom Stockhorn zum Gantrisch ist ein Klassiker und geprägt von
spektakulären Aussichten einerseits aufs Aare-/Gürbetal und das Mittelland,
andererseits auf die Alpen – und sie ist dabei nicht anstrengend: Die Stockhornbahn
bringt einem auf eine Höhe von 2200 Metern, grosse Höhendifferenzen müssen
nicht mehr bewältigt werden bis zur Postauto-Haltstelle Gantrischhütte(1508
m).
Beim Aufstieg zum Grenchegalmpass entfaltet sich der
Bergfrühling in seiner ganzen Farbenpracht.
Einmal mehr wird uns klar, wie gut es die Schöpfung mit uns
gemeint hat. Kristallklares Wasser sprudelt munter dem Tal entgegen. Noch vor
Wochen hielt der Winter hier oben das Zepter in der Hand.
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Am Schattigseeli unterhalb von Alpiglenmären
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Gratwanderung am Widdersgrind
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Unterhalb von Alpiglenmären entschliessen wir uns für
die «Gratvariante» über den Widdersgrind. Mit leichtem Rucksack
problemlos zu bewältigen, doch mit unserer schwerer Last stellen die Grate und
Couloirs hohe Anforderungen an die Trittsicherheit.
Im Hintergrund erkennen wir bereits die bekannte Boltiger
Mittagsfluh.
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Manchmal entschliesse ich mich dazu, allein vorzusteigen um meinen
Rucksack zu deponieren und anschliessend Mariannes Rucksack nachzuholen.
Die Alp Richisalp wird nur noch von Schafen genutzt, und man fragt
sich unweigerlich, ob es auf der durchwanderten Strecke in 25 Jahren noch Kuhalpen und
Sennen geben wird, oder ob die Globalisierung diesen Teil der alpinen Kultur zum
Verschwinden bringt?
Zu dieser Gegend findet man folgende interessante Information: In
regelmässigen Abständen trifft man übrigens in diesem Gebiet auf Relikte
vergangener Zeiten. Die Stockhornkette war die nördliche Grenze des
«Reduits» und während des zweiten Weltkrieges wurden auf der Strecke
Kaiseregg-Stockhorn abertausende Kubikmeter an Stollen, Bunkern und Befestigungsanlagen
gebaut.
Da für die beauftragten Bauunternehmer zum Teil der Profit vor
der Landesverteidigung kam, wurden Zement und Armierung recht sparsam eingesetzt, so dass
einige Anlagen zerfielen, ohne dass ein Schuss auf sie abgegeben wurde, was nach
Kriegsende zu mehreren Prozessen führte.
Auf der Vorder Richisalp legen wir nach mehr als 7 Stunden Berg-
und Gratwanderung eine längere Pause ein. Marianne ist müde und ihre Knie
beginnen zu schmerzen. Etwas, das für sie normalerweise unbekannt ist.
Die steilen Abstiege über Grashänge mit dem Rucksack
am Rücken stellen jedoch enorme Belastungen für die Gelenke dar.
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Rast auf der Richisalp
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Am Känelpass müssen wir eine Entscheidung treffen: Kaiseregg
ja oder nein? Gerne hätte ich die Route über den Stierengrat nach Walop und von
dort auf die Kaiseregg gewählt. Das Wetter verspricht jedoch für den kommenden
Tag (Montag) nichts Gutes. Bereits heute ist es sehr kalt und teilweise garstig auf
1800müM. Wir sind beide müde und Mariannes Knie schmerzen. Wenn wir nicht in
Schwierigkeiten geraten wollen, dann muss der zweite Tag unbedingt leichter werden. Wir
steigen also vom Känelpass ab, in Richtung Steinig, und überqueren abseits des
weiss/rot markierten Bergweges unterhalb des Stierengrates auf 1800müM das letzte
Schneefeld des ersten, langen Tages.
Bei zunehmend schlechtem Wetter überqueren wir den Sattel
unterhalb des Stierengrates, der Steinig mit Neugantrisch verbindet.
Hier eröffnet sich nun erstmals der Blick in das weite,
grüne Tal von Sangernboden.
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Schlechtes Wetter kündigt sich an - unterhalb
Stierengrat
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Am Ättenberg, der gut sichtbar ist von unserem letzten
Übergang, zieht das Veh, getrieben von Sennen mittels «chum, chum» bis
«wosch ächt ga» auf die Alp, begleitet von schweren, bimmelnden Treicheln
- ja, lieber die als wir!
Unser erstes Nachtlager unterhalb des Stierengrates
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Mit Sorge betrachte ich Marianne bei der Ankunft in unserem
ersten Nachtlager, sie ist sehr müde.
Das Aufstellen des Zeltes gestaltet sich widerwärtig,
hätte ich das doch zu Hause nur besser geübt! Jetzt, erschöpft und
durchfroren fällt es mir schwer. Auch das Aufblasen der Daunenmatten will
nicht gelingen.
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Mit dem Verpackungssack werden die Hightech Matten aufgeblasen, dies
darf wegen der Atmungsfeuchtigkeit nicht mit dem Mund gemacht werden. Der Gedanke an eine
warme Dusche und ein gemachtes Bett müssen wir nun unbedingt verdrängen.
Meine Zuversicht, Leysin in 6 Tagen zu erreichen schwindet an diesem
Abend erheblich. Dunkle Regenwolken halten sich hartnäckig an der steilen Flanke des
Stierengrats. Endlich um 20:30, nach mehr als 11 Stunden Wanderzeit, können wir
unser erstes warmes Essen in den Schlafsäcken «geniessen». Bei
einsetzender Dunkelheit fallen wir in einen tiefen Schlaf. In der Nacht dann
plötzlich ein polterndes Geräusch - schwere Wassertropfen schlagen auf unserer
Zeltplane auf und purzeln zu Boden - auch das noch - Shit!
Das Aufstehen um 06:00 fällt schwer, Müdigkeit
überall. Wir haben uns am ersten Tag übernommen!
Glücklicherweise regnet es kaum mehr, es ist aber sehr
kalt. Ich bin nun froh, nicht den Weg über die Kaiseregg auf 2072müM
gewählt zu haben. Das wäre schlicht «to much» gewesen.
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Marianne hat sich etwas erholt, Aufstieg zur
Salzmatt
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Im Aufstieg zur Salzmatt erholen wir uns. Saftig grüne Alpweiden
vom Feinsten mit allen möglichen Alpenkräutern - «hey Riccola - schon mal
etwas von der Geissalp gehört?».
Auf unseren ganzen Tour hatten wir dann aber doch einen ständigen
Begleiter, der sich immer wieder bemerkbar machte. Hatten wir ihn einmal vergessen - war
er plötzlich wieder da mit seinem «Gugg» - «Gugg». Wer die
bekannten «Gugger-Zitli» kennt, weiss von welchem Vogel ich spreche. Vielleicht
hatte er Erbarmen mit uns «Sherpas» oder vielleicht hat er sich einfach lustig
gemacht über uns - ein solcher «Krampf» auf sich zu nehmen und das alles
noch freiwillig.
Breitblättrige Orchidee im sanften Aufstieg zur
Salzmatt
Blick von der Salzmatt zum Schwarzsee.
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Von der Salzmatt erblicken wir den Schwarzsee und damit wieder
ein Stück Zivilisation.
Obwohl der Abstieg zum Schwarzsee einfach ist, gestaltet er sich
für uns sehr schwierig. Mariannes Knie schmerzen im Abstieg sehr, sie kann nur
noch langsam gehen.
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Zudem verdrängen schwere Regenwolken die wenig wärmenden
Sonnenstrahlen. Meine Sorgen nehmen zu, habe ich Marianne zu viel zugemutet, wollen wir
aufgeben?
Der Schwarzsee macht seinem Namen alle Ehre, schwarz wie die
Nacht ist das Wasser. Um die Stimmung etwas aufzubessern koche ich Spaghetti al
Pesto. Leider können wir das Essen nicht lange geniessen, Dauerregen setzt
ein.
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Spaghetti al Pesto am Schwarzsee
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Wir packen zusammen und im militärischen Schritt, mit mehr als
20kg am Rücken machen wir uns auf in Richtung Euschelspass. Keiner denkt mehr ans
aufgeben, weiter, weiter - Bravo Marianne!
Durchhalten am Euschelspass
Das Wetter wird schlicht miserabel, Dauerregen! Marianne hängt
sich eine Art Poncho, genannt «Dracula» um, damit sie nicht ganz
durchnässt wird.
Marianne im Aufstieg zum Euschelspass in «ihrem
Poncho»
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Es freut mich zu sehen, wie Marianne wieder leicht steigt, die
Knie schmerzen beim Aufstieg nicht mehr.
Der Poncho hat sich schlussendlich auf der gesamten Tour sehr
bewährt, kann man diesen doch als Hilfszelt, Regenschutz, oder Unterlage
benutzen.
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Bedingungen, wie wir sie am Euschelspass antrafen, würden sich
bestens eignen für (Ehe)paar Therapien. Geht man sich bei diesem Wetter (noch) nicht
auf die Nerven, so ist man entweder hoffnungslos frisch verliebt (was auf uns ja nicht
zutrifft), oder man versteht sich wirklich gut and hält eisern zusammen (was wohl
auf uns zutrifft).
Ich trotze dem garstigen Wetter in meinem Odlo Leibchen. Wir
steigen und steigen und mit jeden gewonnenen hundert Höhenmetern sinkt die
Temperatur weiter ab.
Der Weg zum Euschelspass steigt zuerst steil an zum Bödeli,
anschliessend öffnet sich das Tal und es geht in leichtem Anstieg bis zur
Passhöhe.
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Ich trotze dem garstigen Wetter in meinem Odlo
Leibchen
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Regen, Kälte - welch ein Hundewetter am
Euschelspass!
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Im Euschelstal treffen wir auf den örtlichen
Wildhüter.
Die Gemspopulation im Raum Gantrisch - Kaiseregg -
Euschelsgebiet - Dents Vertes wurde in den Jahren 1997 bis 1999 stark von der
infektiösen Keratokonjunktivitis (Gemsblindheit) betroffen. Es bestehen starke
Hinweise dafür, dass die Epidemie im Sommer 1997 im Raum Schönenboden,
nördlich von Oberwil (BE), von einer infiszierten Schafherde ausgegangen ist.
Auch im Euschelsgebiet sömmern seit Jahrzehnten Schafe.
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Auf dem Euschelspass, in Richtung Jaun-Dorf durchleben wir die
glücklicherweise einzige «Krise». Wir sprechen vom Aufgeben,
Verschieben, Durchhalten, Abwarten.
Wir sind zwar sehr müde und frieren, jedoch nicht
erschöpft. Wir schaffen es, in diesem Zustand, sogar auf das wärmende
Beizli oberhalb von Jaun zu verzichten. Stattdessen suchen wir etwas Schutz in
einem Holzschuppen unterhalb des Beizlis.
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Der «Euschelsente» ist es pudelwohl bei diesem
Wetter
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Jetzt bin ich überzeugt, dass auch in Marianne das innere Feuer
für «unser Projekt» entflammt ist. Wenn es einem friert, man müde
ist, so ist aufgeben meist einfacher als durchhalten. Wir haben uns für das zweite
entschieden!
In Jaun Dorf warten wir im Zelt auf besseres Wetter
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Im Abstieg nach Jaun Dorf werden wir auf der Fahrstasse von
freundlichen «Suisse Romands» dazu eingeladen, in ihr Auto zu steigen -
es scheint, als ob sie Bedauern mit uns hätten.
Wir lehnen das gut gemeinte Angebot ab, lautet doch unser
Vorsatz: Ohne fremde Hilfe Leysin erreichen. Und jetzt haben wir schon so
tapfer durchgehalten, also jetzt bitte keinen Fehler!
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Wir erreichen Jaun Dorf, das wohl mehr Kirchen hat als Läden. Das
Dorf ist gespenstisch ausgestorben. Im Hintergrund, auf einer Anhöhe unser
«Ausharrungslager» bei einer schönen Sennhütte.
Zum Jaun Dorf liest man: Es ist die einzige deutschsprachige Gemeinde
im Greyerzbezirk, allerdings sind die meisten Einwohnerinnen und Einwohner zweisprachig.
Der Dialakt in Jaun ähnelt stark dem Berner Oberländer Dialekt. Das ist kein
Zufall: Eine Verbindungsstasse zum Bezirkshauptort Bulle existiert erst seit 1870; davor
führte nur ein schmaler Pfad durch die Jaunbachschlucht. Das verunmöglichte
einen regen Handel und einen engen Kontakt zum Bezirkshauptort. Die Verbindung nach
Boltigen auf der anderen Seite des Passes hingegen war einfacher - das hinterlässt
im Dialekt bis heute Spuren.
Der Name «Jaun» stammt wahrscheinlich von
«Jagona», was in der Sprache der Helvetier «die Kalte» bedeutete -
wie zutreffend diese Analyse doch auf unsere Bekanntschaft mit Jaun ist!
Glücklicherweise haben wir im Schutz einer mächtigen
Tanne einen wunderbaren Platz für unser Zelt gefunden, hier lässt es sich
sein.
In Jaun haben wir lange nach einem Zeltplatz gesucht, im Dorf
selbst kommt dies nicht in Frage und direkt am Bach ist es zu feucht.
Ich jogge ohne Rucksack etwas den Bergweg hinauf und siehe da -
mein Herz hüpft vor Freude, welch ein wunderbarer Platz!
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Trekking - nichts für Warmduscher!
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Überquerung der Gastlosen
Der Regen und das kalte Wetter haben aber auch seine Vorteile - wir
können uns ausruhen und neue Kräfte sammeln. Kein Gedanke mehr an Aufgabe, denn
der Wetterbericht verspricht schönes Wetter. Während der Regen auf unser Zelt
prasselt geniessen wir die Ruhe im warmen Schlafsack.
Zahlreiche SMS von Freunden ermuntern uns zum Durchhalten und
Weitermachen - Merci!
Nach mehr als 12 Stunden Ruhe und Erholung im Zelt, reisst der Himmel
am Mittwoch, unserem dritten Tag, plötzlich auf und die Sonne lässt den
Nebelschwaden keine Chance. Aus dem dunklen Jaun wird ein freundliches Dorf und auch
unser Gemüt hellt sich auf. Uns kann nun nichts mehr halten.
Aufstieg zum Chalet de Soldat auf der Nordseite der
Gastlosen
|
Wer im Internet (Google) den Begriff «Gastlosen»
eintippt, wird bald feststellen, dass der Begriff nichts mit «gastlos» zu
tun hat. Dafür umso mehr mit einer äusserst wilden Bergkette, dem
absoluten Eldorado für Sportkletterer.
Man findet zahlreiche (schwere) Routen auf der Nordseite, mit
klingenden Namen wie «Mission Impossible».
|
Die Gastlosen ist auch die Heimat von Erhard Loretan, dem
bekannten Spitzenbergsteiger.
Die Gastlosen werden oft auch als die Dolomiten der Schweiz
bezeichnet.
Mit Leichtigkeit steigen wir durch die saftig grünen Weiden
empor zum Chalet du Soldat. Die Kühe geniessen zu dieser Jahreszeit wahrlich
das reinste Gourmet Menü - welch ein Schlaraffenland!
Sie würdigen uns kaum mit einem Blick, um die Mittagszeit
ist Siesta angesagt.
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Hey ihr Faulenzer. wenigstens grüssen könntet
ihr!
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Route Gross Turm Nord
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Vor zwei Jahren durchstieg ich mit Martin Grossen die Route
«Gross Turm Nord» (6a, 6c, 7a, 6a+, 6a, 6a, 5c, 4b).
Erinnerungen an schlechte Absicherungen werden wieder wach, an
Ausgesetztheit und schwierige Züge.
Es ist nicht unüblich, dass man in den Routen der Gastlosen
noch alte Holzklemmkeile, versehen mit Viehhüterdraht findet, die
Absicherungen der Erstbesteiger ...
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Das Soldatenhaus wurde ursprünglich
gebaut, um Freiburger Militärtruppen zu beherbergen. Heute haben die Soldaten
den Einzelpersonen oder Familien Platz gemacht.
Wieder entziehen wir uns der Versuchung
nach Genüsslichkeiten im Chalet du Soldat, (... frische Nussgipfel ... mhmm)
und «geniessen» unsere mitgeschleppte Schokolade, im Wissen, dass mit
jedem Biss der Rucksack etwas leichter wird.
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Chalet du Soldat unter den Felsen der Gastlosen
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Vor uns steht nun ein sehr steiles Stück Bergweg, das wir
bezwingen müssen, um die Gastlosenkette zu überqueren und auf die Simmentaler
Seite zu gelangen. Die Überquerung trägt den Namen «Wolfsort»,
wahrscheinlich haben hier in grauer Vorzeit einmal Wölfe gejault, wir konnten jedoch
keine mehr sichten ...
Marianne im Aufstieg zum Wolfsort
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Mit einem leichten Rucksack stellen solche Aufstiege
normalerweise kein Problem dar. Ein schwerer Rucksack, birgt jedoch die Gefahr in
sich, dass es einem rücklings überziehen kann.
Es ist deshalb wichtig, nach vorn zu lehnen und die Stöcke
in der Mitte zu fassen. Kraft und Ausdauer gepaart mit Trittsicherheit und
Geschicklichkeit sind in solchem Gelände von grossem Vorteil.
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Am Wolfsort eröffnen sich dem Bergwanderer zwei Welten. Auf
der Nordseite die steilen, schroffen Felsen der Gastlosen, auf der Südseite
herrlich, sanft geneigte Alpweiden.
Es ist zügig an diesem Ort, die Bise bläst uns ins
Gesicht, also nichts wie weiter Richtung Grubenberghütte (SAC).
In der Ferne erkennen wir den Gurnigel, stolz schauen wir auf
das «getätigte Stück Arbeit» zurück.
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Super geschafft! die Gastlosen sind nun
überquert.
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Mit der Überquerung der Gastlosen haben wir nun wieder ins
Simmental gewechselt, das wir in Steinig am Fuss des Stierengrats verlassen haben. Das
Wegstück von Wolfsort zur Grubenhütte ist überwältigend und sehr
einfach zu begehen. Zeit sich wieder einmal seinen Gedanken hinzugeben und einfach so vor
sich hinzuwandern. Oft wandern Marianne und ich ohne ein Gespräch zu führen,
dann wieder finden wir Gesprächsstoff. Manchmal schwelgen wir auch in Erinnerungen
an die vielen Wanderungen, die wir bereits zusammen unternommen haben. «Weisst Du
noch als wir vom Jaun über den Hundsrück ....».
Die Bergfauna ist zu dieser Jahreszeit im Frühstadium, kaum ist
der Schnee weg, drängen sich auch schon Krokusse aus der noch grauen Erde.
Krokusse am Weg zur Grubenberghütte
Wasserrillen an der Wandfluh
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Der Weg zur Grubenberghütte (SAC), führt an der
Wandluh vorbei, deren wasserzerfressene Flanke ein eindrücklicher Blickfang
darstellen.
Wasser bildete in all den Jahren unzählige, vertikal
verlaufende Wasserrillen.
Unzählige Kletterrouten findet man an diesen leicht
zugänglichen Felsen.
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Es ist fast eine Sünde an der Grubenberghütte,
vorbeizuwandern, zu schön ist die Aussicht von hier oben auf das gesamte Simmental.
Doch wir möchten noch ein Stück Weg hinter uns bringen, da wir uns wieder gut
fühlen. Der ausgiebige Rasthalt in Jaun hat uns gut getan, also hat auch ein
Regentag seine guten Seiten.
Von der Grubenberghütte muss man etwas ins Grischbachtal
absteigen, eine direkte Querung zum Col de la Forcla konnten wir nicht ausmachen. Ich
möchte auch keine waghalsigen Abenteuer eingehen, denn der Tag neigt sich bereits
dem Ende entgegen. Ein Übernachten im Grischbachtal kommt für mich nicht in
Frage, den ich kann mich nicht mit dunklen Zeltplätzen anfreunden. Lieber steige ich
nochmals eine Stunde auf um in einem «Adlerhorst» zu übernachten. Es gibt
nichts Schlimmeres, als zwischen Felswänden eingeklemmt zu sein, also rauf auf den
Col de la Forcla, die Hütte habe ich schon von weitem gesichtet.
Es wird sehr spät, als wir endlich unser
«Traumdomizil», eine leerstehende kleine Hütte direkt unter den Felsen der
Rocher de Rayes gefunden haben. Wie üblich, macht sich Marianne daran, sich für
den Ausgang schön zu machen ... mit kaltem Wasser am Hüttenbrunnen. Das
Aufstellen des Zelts geht nun rasch vor sich und bald sitzen wir beim Einnachten vor
einer dampfenden Hafersuppe.
Unser Traumdomizil am frühen Morgen unter den Felsen der
Rocher de Rayes. Es war bitterkalt in der Nacht, Eis hatte sich auf der Zeltdecke
gebildet.
Hier machte ich auch eine Erfahrung der ganz speziellen Art
...
|
Unser Traumdomizil unterhalb Rocher de Rayes
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... Schnecken lieben Bergschuhe ... während der Nacht
liessen wir unsere Bergschuhe im Vorzelt. Früh morgens zog ich jeweils die Schuhe
schon mal provisorisch an, um das Frühstück zuzubereiten. Noch ahnte ich nichts
... bis ich meine Schuhe vor der Tagesetappe nochmals auszog, um die Socken zu ordnen. An
diesem Morgen stellte ich eine schmierige Masse im Bereich der Zehen fest, was war
passiert? Ich hatte keine Erklärung. Das Geheimnis lüftete sich bald, als ich
mit der Hand in den Schuh griff und ganz vorne die Leiche einer riesigen Schnecke
vorfand, die ihr Leben nicht ausgehaucht sondern ausgequetscht hatte ...
Marianne beim Frühstück oberhalb
Rougemont
|
Marianne geniesst die ersten, wärmenden Sonnenstrahlen beim
Frühstück. Während ich bei bewährter Kost wie Brot und
Konfitüre blieb, liess sie sich fast gefrorenes Nutella schmecken.
Unser Essen hatten wir in Tagesportionen abgepackt. Bald
erkannten wir, dass wir zuviel eingepackt hatten. Obwohl der Kalorienbedarf enorm
war, assen wir kaum mehr als zu Hause. Dafür war die Verdauung von einer
solchen Intensität, dass dies schon lästig wurde (das muss ich wohl nicht
näher umschreiben).
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Im Saanenland
Mit Rougemont, das wir über La Manche am Mittwoch dem 08.06.05
gegen Mittag erreichten, durchquerten wir nebst Jaun das zweite Tal. Wir mussten also
ganz absteigen, um dann erneut auf 1800müM aufzusteigen. Gerne wäre ich ganz
vorbei an der Zivilisation gewandert, doch dies ist auf dieser Route nicht möglich.
Zweimal kommt man also in die Nähe eines grösseren Dorfes. Im übrigen ist
anzumerken, dass wir praktisch ununterbrochen entweder bergauf oder bergab wanderten,
dadurch kamen auch die 5'456 Höhenmeter zusammen.
Lange überlegte ich mir, wie ich das Bergmassiv von Rubli /
Rocher a Pointes und Rocher Plat überschreiten soll. Drei Wege stehen zur
Verfügung, Rubli links umgehen, duch die Mitte zur Skistation von Videmanette
oder rechts herum um den Rocher Plat.
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Rubli, Rocher a Pointes und Rocher Plat
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Ich entschied mich für die erste Variante, die auch die
leichteste ist. In Anbetracht des bereits geleisteten Weges und der noch bevorstehenden
Schwierigkeiten am Cape au Moine wollte ich nichts riskieren und nicht bereits unsere
Reserven anzapfen.
In Rougemont geniessen wir für kurze Zeit die Zivilisation.
Auch die Wärme des Talgrundes tut uns gut nach einer bitterkalten Nacht.
Doch die Rast in von kurzer Dauer, bald sind wir wieder im
Einklang mit unserem Herzschlag im Aufstieg zur Gummfluh. Welch imposantes
Felsmassiv erblicken wir da! - ob es dort wohl auch Kletterrouten gibt?
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Am Bahnhof von Rougemont
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Gummfluh als imposante Bergkulisse
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Der Aufstieg zur Pointes de sur Combe ist teilweise sehr steil.
Die kalte Bise, die uns von hinten erfasst kühlt uns aber konstant derart ab,
dass wir kaum schwitzen.
Dies wiederum, hat den grossen Vorteil, dass wir nur wenig
Wasser den Berg hinauf schleppen müssen.
Kurz gesagt, es herrscht absolut ideales Wetter für eine
Bergwanderung. Zum Übernachten sehr kalt, aber zum Laufen top - beides kann
man wohl nicht haben.
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Zur Gummfluh kann man folgendes nachlesen: Den
gletscherüberschliffenen, mild geformten, wald- und weidebesetzten Schieferhalden
sind fremd anmutende, zerschrundete und schroffe Felstürme und -grate aus harten
Kalken aufgesetzt.
Unterhalb der Gummfluh treffen wir auf ein kleines Hochtal
(Pointe de la Videman), das in seiner Pracht kaum zu umschreiben ist. Ich hoffe,
dass das Photo dies etwas vermitteln kann.
Es ist sicher der landschaftlich eindrücklichste Moment auf
unserer ganzen Tour. Das satte grün im Talkessel verdrängt die
Schneeresten, welche unmittelbar daneben liegen!
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Hier merke ich wieder einmal wir sehr wir dieses Land lieben, mit
seiner Naturvielfalt. Leider, stelle ich fest, dass Naturerhalt bei Politikern heute mehr
und mehr in den Hintergrund treten. Wachstum über alles, Einkaufszentren und
Chemiefabriken in grüne Wiesen zu stellen ist heute «in». Oder wie ich
kürzlich lesen konnte: «Wachstum entlang der grossen Achsen» - na ja.
Blick vom Trittlisattel an unseren Ausgangspunkt
Gantrisch
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Um den Col de Jable zu erreichen, wandert man auf einem
teilweise ausgesetzten Bergweg rund um die Gummfluh. Auf dem Trittlisattel
angekommen können wir nochmals an unseren Ausgangspunkt, den Gantrisch,
welcher in der Ferne erkennbar ist, zurückblicken.
Der Trittlisattel ist bedeckt von Alpenrosen, die jedoch noch
nicht blühen. Wir steigen entlang des Sattels hoch, und geniessen den
Tiefblick in den Meielsgrund.
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Bald erreichen wir den Col de Jable, wo wir erstmals das Felsmassiv
von Les Diablerets erblicken.
Unterhalb des Col de Jable, bei Gros Jable erkennen wir eine
wunderbar gelegene Sennhütte mit dem ersehnten Brunnen davor. Unser Nachtlager
war somit bald klar. Glücklicherweise erreichten wir dieses Etappenziel
bereits um 18:00 Uhr, so dass einmal genügend Zeit blieb, die Sonne noch etwas
zu geniessen.
Auf unserer gesamten Tour haben wir sehr wenig Pausen gemacht.
Am Mittag machten wir meist nur einen Halt von 30 Minuten, dann ging es wieder
weiter.
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Der Col de Jable war ein wichtiger Meilenstein auf unserer
Wanderung
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Umso mehr genossen wir das grossartige Panorama in Gros Jable. In der
Ferne erblickt man auf der rechten Seite bereits die markante Seilbahnstation von
Leysin.
Les Diablerets mit Wittenberghorn im Vordergrund
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Das Panorama vom Col de Jable ist ausserordentlich
beeindruckend. Im Hintergrund das Sommerskigebiet Les Diablerets mit dem
Wittenberghorn im Vordergrund. Nicht sichtbar ist der Arnensee, der auf der anderen
Seite des Wittenberghorns liegt.
Das grüne Tal von Paquier Mottier erinnert mich an das
Färmeltal bei St. Stephan.
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Morgen werden wir absteigen und auf der anderen Seite des Tals
den höchsten Punkt der Tour erklimmen, den Cape au Moine.
Der Aufstieg wird wohl sehr anstrengend werden, liegt doch auf
dem Col de Seron noch Schnee. Es ist also damit zu rechnen, dass wir über
Firn/Schneefelder steigen müssen. Wir haben keine Steigeisen mitgenommen,
sollte es zu riskant sein, werden wir umkehren und Richtung Etivaz - Col de Mosses
wandern.
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Unser Komfortlager in Gros Jable
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Zuerst wird aber jetzt gekocht, um zu frischen Kräften zu kommen.
Kaum ist die Sonne untergegangen wird es beissend kalt.
Impressionen vom Col de Jable
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Marianne geht früh «zu Bett», während ich
mich am kleinen Feuer etwas wärme.
Ich kann noch nicht schlafen, trotz der Müdigkeit denke ich
nochmals zurück an den vergangenen eindrücklichen Tag rund um die
Gummfluh.
Erinnerungen, die wir beide wohl bis an unser Lebensende in
unserem Innersten tragen werden.
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Winterlicher Übergang am Col de Seron (Cape au Moine)
In aller Frühe steigen wir von unserer Aussichtsterasse
hinunter ins grüne Tal. Wir sind am plaudern und prompt passiert mir ein
folgenschwerer Irrtum - Ich nehme den falschen Weg.
Anstatt im Talgrund nach Paquier Mottier zu wandern nehme ich
den Weg nach Les Arpilles. Der Aufstieg ist extrem ruppig und wir gewinnen auf der
anderen Talseite rasch an Höhe und können bald hinüber zum Col de
Jable blicken. Nur leider ist dies der falsche Weg. Auf halber Höhe erkenne
ich den Irrtum ...
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Im falschen Aufstieg nach Les Arpilles
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Endlich wieder auf der richtigen Fährte
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... um wieder in den Bergweg in Richtung Pas de Saxieme zu
gelangen, müssen wir nun wieder weit absteigen und entlang von Gestrüpp
und steilen Flanken in den richtigen Bergweg kreuzen.
Das braucht Nerven, insbesondere wenn man weiss, dass der
höchste Punkt der Tour noch bevorsteht. Das hat uns beide (zu)viel Kraft
gekostet.
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Etwas frustriert, verzehre ich eine halbe (fettige) Rauchwurst, um
genügend «Most» für den Hauptaufstieg zu haben. Nie würde ich zu
Hause solch fettige Würste essen, aber ich muss sagen, das hat mir über den Col
de Seron geholfen. Mit irgend welchem Hightech Food, hätte ich diesen Effort nicht
bewältigt!
Der Aufstieg nach Seron ist wieder wunderbar, gesäumt vom
Bergfrühling in allen Farben.
Doch anstatt die phantastische Bergwelt zu geniessen, gebe ich
das erste Mal auf der Tour «Vollgas». Marianne kann dem Tempo nicht mehr
folgen und bleibt zurück.
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Unterwegs zum Col der Seron
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Im Wissen, dass ich oben am Col de Seron Tritte in den Firn schlagen
muss, spielt ihr Rückstand keine Rolle, sie wird mich einholen. Wir müssen es
schaffen, unfallfrei über diesen Übergang zu gelangen.
Ich bemerke, dass mich die Verantwortung in solchen Situationen doch
etwas stresst.
Marianne im «Nachstieg» auf dem Firnfeld zum Col de
Seron
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Einmal mehr bewundere ich auch die verantwortungsvolle Arbeit
der Bergführer, die ihre Gäste meist sicher über anspruchsvolles
Gelände führen.
Der Gast ist sich wohl oft der heiklen Situation gar nicht
bewusst. Wie schnell rutscht man auf einem Firnfeld aus und saust in hohem Tempo
hinunter ins Geröll.
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Das darf uns nicht passieren, deshalb trete ich schöne Tritte
für Marianne, die nun ganz easy nachsteigt. Die eiskalte Bise im Rücken macht
die Sache auch nicht lockerer. Der Grat ist nun aber nicht mehr weit und wir schaffen es!
ich atme tief durch ...
Auf dem Plateau hoch über dem Dorf Les Diablerets herrschen
noch winterliche Verhältnisse. Noch sind keine Blumen zu erkennen.
Der Effort hat mich doch einiges an Kraft gekostet. Trotzdem
steigen wir nun noch hoch an den Abgrund, um endlich hinunter nach Les Diablerets
zu blicken.
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Geschafft - wir sind auf dem Dach der Tour
angelangt
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Ich finde im sehr steilen Abhang ein Couloir, über das wir das
letzte heikle Wegstück absteigen können. Ich klettere zuerst mit meinem
Rucksack hinunter und deponiere diesen unten. Dann wieder hochklettern und mit Mariannes
Rucksack absteigen.
Marianne schafft den Abstieg mit ganzer Konzentration ohne
Probleme.
Der Blumenstrauss für die Siegerin aus einheimischer
Produktion ...
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Nun sind wir ganz sicher, dass wir es bis Leysin schaffen
werden. Wir beschliessen, bei einer schönen Sennhütte hoch über Les
Diablerets unser letztes Zeltlager zu beziehen, es ist das Fünfte.
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Etwas zu früh gibt's den Blumenstrauss für das tapfere
Durchhalten. Auch die Wanderstöcke haben dazu beigetragen, manch
unnötigen Fehltritt zu verhindern.
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Wanderstöcke, das unverzichtbare Utensil
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Höhenbergweg Les Diablerets - Col de Mosses - Leysin als krönender
Abschluss
Das letzte Zeltlager ist auch eines der kältesten. Kaum ist die
Sonne am Abend untergegangen, kriechen wir in unsere Schlafsäcke. Wir hätten
nun noch Proviant für zwei weitere Tage, doch der Vorrat an Gas zum Kochen geht
langsam zu Ende. Wir haben den Fehler gemacht, Reis und Spaghetti unaufgeweicht im
heissen Wasser gar gekocht zu haben. Das braucht viel zu viel Energie - stattdessen
sollte man «Hardware aus Teig» zuerst im kalten Wasser einlegen, bis es weich
wird und dann erhitzen, dies spart mehr als 1/3 an Energie.
Blick auf Les Diablerets
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Nun sind wir ganz sicher, dass wir es bis Leysin schaffen
werden. Wir beschliessen, bei einer schönen Sennhütte hoch über Les
Diablerets unser letztes Zeltlager zu beziehen, es ist das Fünfte.
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Zum letzten Mal «geniesse» ich das eiskalte Wasser,
morgen wird mir das sicher bereits fehlen.
Marianne, wie immer auf der Tour mit drei Schichten an Kleidern
im Schlafsack. Immerhin handelt es sich beim Schlafsack um einen Mountain Equipment
Winterschlafsack bis -20 Grad ...
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Impressionen vom letzten, kalten Zeltlager über Les
Diablerets
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Am Morgen ist alles «Stein und Bein» gefroren und das Zelt
von einer Eisschicht bedeckt. Doch in Anbetracht des wolkenlosen Himmels für die
letzte Etappe, lassen uns solche Unannehmlichkeiten heute morgen vollkommen kalt.
Der Wundertrank am Morgen - Ovo und Cappuchino
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Bei unserer Zusammenstellung der Verpflegung haben wir ein paar
Sachen nicht optimal gemacht (beispielsweise zuviel «Astronauten Food =
Fertigteigwaren»).
Was wir aber äusserst empfehlen, können sind die alt
bewährten Sachen wie Ovo Sport (in heissem Wasser auflösen), der super
Cappuchino und natürlich die Rauchwürste ....
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Spass beiseite, was auch sehr zu empfehlen ist: Stocki und Mais zum
anrühren. Sofort bereit und energievoll.
Es ist so kalt an diesem Morgen, dass sogar das Frottetuch
gefroren ist und für Mickey (unsere Katze zu Hause) als Minizelt gebraucht
werden könnte.
Ich packe das Zelt samt Eis zusammen und dann geht es los
über den Höhenweg in Richtung Col de Mosses.
Wir freuen uns schon jetzt auf den ersten «Leysin»
Wegweiser - wie sich zeigen sollte, mussten wir uns damit noch bis zum Col de
Mosses gedulden.
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Eis am Zelt im letzten Zeltlager
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Der Höhenweg zwischen Les Diablerets und Leysin ist reinster
Genuss und sehr einfach. Es gibt kaum mehr Steigungen. Das erste Mal auf der Tour
können wir die angegebenen Zeiten auf den Wegweisern auch einhalten, ja wir
unterbieten sie manchmal sogar, obwohl die Rucksäcke immer noch beachtlich schwer
sind. Doch das nahende Ziel lässt unser Tempo automatisch schneller werden, da
wundern sich manchmal sogar ...
... die «Einheimischen» mit welch flottem Schritt wir da
vorbeischreiten.
Col de Mosses in Sichtweite
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Bei Oudiou öffnet sich das Seitental zum Col de Mosses. Im
lichten Wald geht es leicht bergab.
Kein Muskelkater plagt uns mehr, mit beschwingten Schritten
geht's dem Ziel entgegen.
Mir scheint, dass wir, je länger unterwegs besser
vorankommen, offenbar gewöhnt man sich an Tagesetappen von 8-10 Stunden.
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Obwohl wir Leysin, auf der herrlich gelegenen Sonnenterasse,
schon lange von weitem sehen, will es nicht näher kommen.
Die Seitentäler zum Col de Mosses und der Pierre de Moelle
verlängern den Anmarsch erheblich, da man immer wieder einen grossen Bogen
machen muss, um auf die andere Seite des Quertals zu gelangen.
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In La Comballaz - die letzten 3 Stunden bis Leysin
...
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Der erste Wegweiser mit «Leysin» |
Endlich, nach 6 Tagen erreichen wir den ersten Wegweiser mit
«Leysin» ...
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... und steigen mit Leichtigkeit die allerletzte Steigung von
Pierre de Moelle nach Leysin hinauf.
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In der letzten Steigung nach Leysin
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Impressionen der letzten Meter ...
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Bei schönstem Wetter laufen wir in Leysin ein, bereichert
mit einem Naturerlebnis, das man kaum in Worte fassen kann.
Man muss nicht zwingend ein teures Trekking in Nepal buchen, um
Stille und Naturverbundenheit zu suchen ... man findet dies auch ganz nah bei
uns.
Das Simmental und Saanenland sind von einer einmaligen
Schönheit und Wildheit, tragen wir dazu Sorge.
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Für unsere Wanderung haben wir die 1:50'000er Karte (5025T)
Saanenland / Simmental von oben rechts nach unten links diagonal durchwandert.
No Comment !
Geschafft ... ohne fremde Hilfe (wir haben auch keine Essensrationen
vorher am Weg deponiert), möglichst abseits der Zivilisation habe wir unser Ziel
erreicht - unvergesslich!
Photo Gallerie
Gurnigel - Leysin (05.06.05 - 10.06.05) / Marianne und Martin Zahn
( Achtung: Die untenstehenden Photos sind z. Teil 1 - 1.5MB gross ! )
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