Achtung Blindgänger ...
... durch die Gantrisch Nordwand
Martin Zahn / Bruno Schmid am 16.12.2006
Unsere Trilogie der 2000-er bestand darin, Nünenenfluh,
Gantrisch und Ochsen
auf einer möglichst schweren, noch machbaren Route zu durchsteigen.
Gantrisch Nordwand - Nur für gute
Nerven
Wenn über dem Mittelland eine dicke, graue
Nebeldecke liegt, präsentiert sich das Gantrischgebiet während der Wintermonate
meist nebelfrei. Loipen und Skipisten, atemberaubende Aussichten, stille Wanderwege,
verschneite Tannen wie in einer zauberhaften Märchenlandschaft, kristallklare Luft
und vor allem viel Sonne und Erholung erwarten Sportler, Familien, Erholungssuchende und
Sonnenhungrige.
Wie schön doch dieser Werbeslogan klingt ...
... doch von unserem Ziel, dem Durchstieg der Gantrisch Nordwand findet
man weit und breit keine Informationen - also doch wohl nur etwas für Spinner.
Unsere Route - im linken Couloir dem Gipfel entgegen
Schon seit längerer Zeit habe ich mich mit dem Gedanken
auseinandergesetzt, ob es wohl in der Gantrisch Nordwand eine machbare Route gibt. Unsere
Route führt in einer direkten Linie entlang eines markanten Couloirs auf der linken
Seite der Wand nach oben. Den Einstieg müssen wir rechts umgehen.
Bruno am Einstieg «unserer» Route
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Eingehend studieren wir am frühen Samstagmorgen dieses 16.
Dezembers die Wand. Grau und düster - wie eigentlich jede Nordwand.
Man kann sich fragen wie man auf die Idee kommen kann hier einen
Weg nach oben zu suchen ...
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... egal, uns interessiert der Sinn unseres Tuns im Moment nicht, wir wollen
einfach hier durch, Punkt Schluss. Dass sich dann weiter oben in der Wand unsere Meinung
dann doch etwas änderte, sei hier bereits angemerkt.
Einstieg via Rampe
Der direkte Weg bleibt uns versperrt, im untersten Teil wäre
es zu heikel hochzuklettern, man könnte kaum sichern und ein
Schwierigkeitsgrad von 5 ohne Sicherung ist über der Schmerzgrenze.
Wir entscheiden uns deshalb, den Couloir Einstieg rechts zu
umgehen wo man eine Rampe vorfindet.
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Couloir wird im unteren Teil rechts umgangen
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Von unten sieht die Rampe völlig harmlos aus, doch kaum sind wir
eingestiegen sind wir beide überrascht wie steil es bereits hier unten ist - wir
klettern vorerst ungesichert.
Bereits auf der Rampe kommen wir ohne Seilsicherung an den Anschlag
Am oberen Ende der Rampe wird es (zu) steil, 65 - 75 Grad ist einfach
zu gewagt um ohne Sicherung in diesen gefrorenen Grasbüscheln hochzuklettern. Bruno
ist heute enorm motiviert und er überwindet unter höchster Konzentration die
steilste Stelle.
Im Couloir selbst ist ein Hochsteigen unmöglich - blanker Fels!
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Ich versuche es etwas mehr links, doch mein Puls rast, es ist extrem steil.
Dann plötzlich ist mir klar, so nicht!
Ich warte bis Bruno oben einen Stand (wenn man dem so sagen kann) eingerichtet
hat und das Seil nach unten zu mir hinunterlässt.
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Die Überwindung
Ein Seil von oben kann die Nerven enorm beruhigen, selbst im Wissen,
dass ein Pickelstand im gefrorenen Gras wohl einen Sturz nicht überstehen
würde, steige ich nun doch ruhiger zu Bruno hoch. Ein
«Gopfridstutz isch das stotzig», nützt auch wenig mir wieder die normale
Gesichtsfarbe zurückzugeben - ich bin weiss wie ein frisch gewaschenes Leintuch -
das ist eingefahren.
Ich habe die 2. Seillänge geschafft und sichere Bruno nun im Nachstieg
Ich kann meine Nerven etwas beruhigen, nachdem es mir gelingt einen
Haken in eine Felsritze zu treiben, ein Sturz würde nun wohl gehalten.
Unter höchster Konzentration arbeite ich mich nach oben,
immer auf der Ausschau nach festen, gefrorenen Grasbüscheln.
Diese sind rar hier oben, die Gantrisch Nordwand ist sehr felsig
und festes Gras kann sich kaum entwickeln.
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Unsere Lebensversicherung ...
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Wohl auch deshalb nicht, weil diese Nordwand früher oft vom schweizerischen
Militär oder sagen wir genauer von den Panzertruppen als Zielscheibe benutzt wurde.
In letzter Zeit sind die scharfen Schiessübungen hier oben aber rarer geworden.
Wir klettern rechts vom Couloir
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Der Durchstieg direkt im Couloir ist leider nicht möglich.
Es hat wenig losen Schnee darin und darunter nur blanker Fels.
Hätte es Eis oder gefrorenen Schnee wäre das
Vergnügen pur.
Die Grasbüschel bieten einen einigermassen sicheren Weg nach
oben.
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Achtung Blindgänger
Als ob wir nicht schon mit genug Schwierigkeiten zu kämpfen
hätten, ertönt plötzlich Brunos Stimme über mir «Hey Achtung, hie hets a Blindgänger». Und tatsächlich, da
steckt doch ein unversehrtes Panzergeschoss in einem Grasbüschel - beim Anblick
läuft es mir kalt über den Rücken. Nicht zu denken was sich da ereignen
würde wenn ... ach, lassen wir das, wir leben noch gerne etwas.
Blick nach links zur Nünenenfluh
Nachdem wir nun den sehr heiklen unteren Teil der Wand überwunden haben - am Seil
gesichert - wird das Gelände ab Wandmitte leichter. Entlang eines Felsriegels
können wir nun zügig in die Höhe steigen.
Abwechselnd steigen wir nun gesichert hoch, der Tiefblick wird
zunehmend imposanter.
Da wir das erste Mal in dieser Wand sind, diskutieren wir immer
wieder wo wir hochsteigen wollen.
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Bruno am Sichern
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Im oberen Teil hat man die Wahl zwischen einem immer enger werdenden Kamin, das sich
schnurgerade nach oben zieht oder einem Ausstieg nach links auf den Grat. Wir
entschliessen uns für das Kamin, auch wenn wir nicht wissen ob es da einen Ausstieg
gibt.
Imposanter Tiefblick an der Gantrisch Nordwand
Der Ausstieg
Bruno klettert das Kamin in sicherer Manier, nur am schlechten Stand
gesichert. Im oberen Teil wird das Kamin immer schmaler und ein Weiterklettern ist nicht
mehr möglich. Der einzige Ausweg bietet sich auf der rechten Seite hinauf auf den
Grat der Runse.
Nochmals volle Konzentration und dann haben wir es nach fast 4 Stunden geschafft.
Bruno steigt aus dem Kamin und erreicht den Gipfel des Gantrisch ...
... auf einem nicht unbedingt nachahmens-werten Weg.
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Bruno am Sichern
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Wir sind beide froh, hier oben zu stehen, unversehrt. Mittlerweile hat sich auch das
Wetter verschlechtert, wir geniessen nochmals einen Blick hinab in den Schlund.
Blick zurück in den Schlund
Nun freuen wir uns auf den Kaffee im Gantrisch Berghaus, wir nehmen das
Seil auf und steigen über den Bergweg auf der Südseite wieder ab.
Auch ich habe wieder Farbe im Gesicht.
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Die Lücke zwischen Nünenenflue und Gantrisch ist der bekannte
Leiterepass.
Dort steigen wir ab und erreichen entspannt und gelöst unseren
Ausgangspunkt.
Dabei lassen wir es uns nicht nehmen noch ein paar Blicke auf
unsere Route zu werfen.
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Oberdiessbach, 20.12.2006 - Martin Zahn
Photogallerie - Durch die Gantrisch Nordwand
(Achtung - Photos sind 1-2 MB
gross)
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