Am Drunengalm Couloir (Niesengrat)
Martin Zahn und Bruno Schmid am 17. Mai 2006
An was erkennen Sie einen Alpinisten?
Oder stellen wir die Frage doch etwas anders: «An was erkennen
Sie einen Alpinisten nicht?» Wenn eine Person dauernd schnellen Autos nachschaut, so
handelt es sich wahrscheinlich nicht um einen Alpinisten. Hat er aber ein Auge für
die Schönheiten dieser Welt, dann kann es sich um einen Alpinisten handeln man ist
aber nicht sicher. Was ist aber das eindeutige Merkmal? - nun dies ist ganz einfach. Ein
Alpinist schaut dauernd zu den schneebedeckten Hängen, Wänden und Couloirs -
auch Felswände können seine Aufmerksamkeit wecken. Dort wo Otto
Normalbürger schlicht und einfach einen «Berg» erkennt, dort sieht der
Alpinist «seine» Route. Er sucht mit versteinertem Blick den Durchgang zwischen
zwei Eisfeldern, welche durch einen Felsriegel getrennt sind, oder er überlegt sich,
ob wohl dieses Couloir, das er nun schon über Jahre hinweg beobachtet hat wohl zu
machen ist ... Sie haben es erraten, auch wir gehören zu dieser komischen Spezies
Mensch, welche die Berge zwar als schön empfinden, jedoch unweigerlich in eine
Sehnsucht verfallen beim Anblick eben eines solchen Couloirs - zum Beispiel dem
Drunengalm Couloir.
Das Drunengalm Couloir von Norden aus gesehen in der Niesenkette
Neuland - oder «Neuberg?»
Nach einem unendlich langen Winter, sehnt man sich normalerweise nach
saftigen Wiesen, die den Fettgehalt der Milchkühe unweigerlich auf vollfett
hochtreiben - wir zwei, Bruno Schmid und ich haben an diesem mittelmässig
schönen 17. Mail 2006 aber nichts anderes im Kopf als die Erforschung dieses
Couloirs am Drunengalm - ist es wohl zu machen?
Drunengalm Couloir von Westen gesehen
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Das Drunengalm Couloir ist nach unserer Schätzung etwa 45-50 Grad steil. Im
mittleren Teil befindet sich ein Felsriegel mit einer relativ heiklen Kletterstelle.
Im Felsriegel rinnt das Wasser recht stark, hat man jedoch die heikle
Kletterstelle überwunden ist der Ausstieg aus dem Felsriegel ins Schneecouloir
recht einfach.
Im oberen Teil wird das Couloir steiler, man ist auf guten Schnee / Firn
angewiesen, im Sommer wenn das Couloir ausgeapert ist kann man dort kaum
hochsteigen.
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Genussvolles Hochsteigen
Der Schnee ist an diesem warmen Maitag recht sulzig im Couloir, die
Nacht war warm, der Schnee konnte nicht gefrieren. Mit den Steigeisen lassen sich auf
einfache Weise Tritte treten, so dass das Hochsteigen für mich als Nachsteiger eher
ein Treppensteigen ist.
Wir befinden uns hier unmittelbar vor dem Felsriegel
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Noch viel Schnee im Couloir im Mai 2006
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Überwinden des Felsriegels
Bruno erklettert vorsichtig den Felsriegel, wir sind ungesichert, haben
also nur genau eine Chance. Dies erfordert eine grosse Konzentration und auch eine
stabile Psyche, Angst hat hier keinen Platz. Es gelingt ohne aufwendige Absicherung den
Felsriegel zu überwinden.
Bruno erklettert die heikelste Stelle der Tour - keep smiling!
Dem Himmel entgegen
Das Hochsteigen in einem Schneecouloir ist äussert effizient, pro
Tritt überwindet man 30 - 40 cm an Höhe. Vom Tiefblick zwischen den Beinen
hindurch darf man sich nicht beunruhigen lassen, das Herz schlägt eh auf vollen
Touren infolge der Anstrengung und hat jetzt wirklich nicht noch die Kraft nur wegen
möglicher Höhenangst noch schneller zu schlagen.
Martin beim Hochsteigen im Couloir
Meistens «opfert» sich Bruno für mich und tritt
unermüdlich wunderbare Tritte in den Schnee - Merci Bruno! - dafür
übernehme ich die Aufgabe einige Bilder von unserem Couloirtrip festzuhalten
für diesen Bericht.
Bruno in steiler Stelle
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Hey Bruno, isch das nid genial - juppieehh!
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Ausstieg auf den Drunengalm Grat
Unmittelbar vor dem Grat müssen wir leicht nach rechts aussteigen,
auf der rechten Seite enden die Schneearme in losem Gestein. So erklimmen wir im einzig
verbliebenen Schneefeld den Grat.
Beim Hochsteigen wechselt man die Position der Hände am Pickel
je nach Steilheit. Ist es sehr steil so hält man den Pickel ganz hinten und
hackt abwechslungsweise links und rechts über Kopfhöhe.
Ist es weniger steil, so stützt man sich vorne auf dem Pickel
auf.
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Bruno kurz vor dem Grat
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Kurz nach Bruno erreicht auch Nachsteiger und Photograph Martin den
Grat - «Hey Brünu - das isch ja locker gange - nüt vo bockbärtig hie
ueche!»
Was - noch ein Couloir - nenne wir es «No Name»
Auf dem Grat erkennen wir auf der Südseite noch ein anderes
Couloir, wauu, das sieht ja höchst einladend aus - gehen wir?
Der Abstieg auf der Südseite ist etwas ein Murks, über einen
schmalen Grat erreichen wir ein Schneefeld, das so Gott will uns trägt und nicht
abrutscht - es hat gehalten! Von weitem sieht das Couloir nicht sonderlich steil aus,
doch es stellte sich schliesslich heraus, dass unser «No Name» Couloir im
oberen Teil ansehnliche 50 Grad Steilheit erreichte und eine mächtige Wächte
den Ausstieg erschwerte.
OK, packen wir es
Wir sind nun beide gespannt, was uns wohl dort erwarten würde. Der
Schnee ist noch weicher geworden, doch für den Aufstieg ideal. Bruno übernimmt
wieder die gewohnte Rolle des Trittestampfens.
Im oberen Teil ist das «No Name» Couloir ein absoluter Genuss
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Endlich zeigt sich heute auch die angekündigte Sonne.
Wir jauchzen, das ist einfach so schön hier hochzukraxeln. Wir
fühlen uns beide sehr sicher und es harmoniert, die Räder sind geschmiert -
es läuft!
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Die Wächte
Im Ausstieg des «No Name» Couloirs versperrt uns eine
mächtige Wächte den Ausstieg. Dies ist nicht ganz unüblich, solche
Wächten trifft man oft an bei Ausstiegen aus Nordwänden. Der Wind bläst
den Schnee kontinuierlich über den Grat und es baut sich langsam eine
überhängende Wächte auf. Von unten versperrt diese zwar den Weg, ist
jedoch unbedenklich. Oben sind Wächten äusserst gefährlich, da sie dazu
verleiten an deren Abbruch zu stehen um nach unten zu schauen. Leider haben solche
Situationen schon zu tragischen Unfällen geführt, wie etwa dem Tod der sehr
bekannten Marathon Läuferin Franziska Rochat - Moser.
Bruno unterhalb der Wächte
Der Blick in die Tiefe
Mit der notwendigen Vorsicht können wir die Wächte von rechts
nach links queren. Mit einem kräftigen Pickelschlag auf den Kopf der Wächte
können wir uns mit einem vorsichtigen Zug aus dem Hindernis befreien. Der Tiefblick
in unser «No Name» Couloir erfüllt uns dann sogar etwas mit Stolz - auch
wenn wir uns hier nur am Niesengrat befinden und nicht irgendwo an einem berühmten
Berg. Spass an der Sache ist ja immer noch das Wichtigste in dieser Spielwiese!
Der Tiefblick in unser «No Name» Couloir
Abstieg in den Bergfrühling
Der Abstieg über den Drunengalm ist mühsam und
beschwerlich. Man findet zwar Wegspuren, doch im unteren Teil verlaufen sich diese
und man rutscht über schmierige Wiesen hinunter in den Bergfrühling.
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Wächten am Drunengalm
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Der Bergfrühling ist in voller Blüte, das Grün verdrängt das
Weiss.
Kaum ist der Schnee weg, machen sich Krokusse breit
Photo Gallerie
( Achtung: Die untenstehenden Photos sind z. Teil 1 - 1.5MB gross
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